Titel | ||||
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216 | was bleibt | |||
Vorschautext: es bleibt der rose ernstes erstaunen über das eigene aufgehn. für immer sich selbst genug. im anschaun schon fern stehn wir mit tiefen augen allein. nicht eins. für immer getrennt. ... |
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215 | am kreuz | |||
Vorschautext: er lächelte der mutter zu und der vertrauten aus Magdala. den kopf gesenkt, sah er das letzte licht, versank dann ins gebet, rief seinen vater an, der ihm dies los beschied. er büsste menschsein mit der dornenkrone, erbarmen mit der todesqual. ... |
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214 | märzgewitter | |||
Vorschautext: da fiel von verhangenen bergen ein schleier aus tränen herab, als weinte es über den särgen die kinder des frühlings ins grab. jäh fuhr hinein in die stille der donner mit sturmes gewalt. grell zuckten die feuer am himmel. ein hagelschlag duckte den wald. dann schweigen. der wolkenschlund gähnte. licht tropfte in farben zurück, ... |
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213 | erbarmen | |||
Vorschautext: es rührt mich an der schrei geschundener tiere, namenlos, ohne zahl, deren qual die welt übersteigt. manchmal weht noch ein name herüber: Bukephalos, ertrunken im fernen Hydaspes, Marengo, vom feind erbeutet, siech lebend dahin, oder dein name, Comanche, vielfach verwundet, allein die toten noch schützend ... |
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212 | eins sein | |||
Vorschautext: im trüben bild des spiegellichts sind wir des anscheins beute. wir sehen uns und sonst gar nichts, als ob die welt uns scheute. wie matte vögel, wundgerieben in ihrer käfigeinsamkeit, erst wieder lernen aufzufliegen, so müssen wir uns selbst besiegen. die welt braucht nur barmherzigkeit, und mitgefühl mit allem leid. ... |
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211 | das erwachen | |||
Vorschautext: er war bereit, nach allem kampf war, müde, er bereit. tief neigte sich die pappelfeige. er sass mit leicht verschränkten händen. so ruhte er. die wünsche perlten ab wie später an der lotosblüte, die er Mahakashyapa zeigte. er lächelte mit ihm. ... |
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210 | die kirchenmaus | |||
Vorschautext: der kirchenmaus fiel's leben schwer, ihr magen knurrte allzu sehr. kein körnchen warf das betvolk hin, es schrie nur lieder ohne sinn, was wiederum die maus sehr störte, wenn sie das laute singen hörte. voll ärger ging sie aus dem haus und wurde jetzt zur wandermaus. sie blickte erst im zorn zurück, dann wanderte sie noch ein stück. ... |
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209 | der weg des alten | |||
Vorschautext: unten am flusse, das ufer entlang, schleppt sich der alte mit mühsamem gang, tief schon gebeugt, eine qual jeder schritt: trägt er sein ganzes leben doch mit. nacht wächst ins bebende herz ihm hinein, reisst ihn heran, und er geht ganz allein. Copyright © Marmotier 2013 |
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208 | jetzt oder nie | |||
Vorschautext: wie lange dauert jetzt? noch während er darüber sinnt, merkt er, wie schnell das jetzt verrinnt, dass schon das nächste jetzt und dann das übernächste jetzt beginnt. das letzte jetzt ist jetzt vergangenheit, das nächste jetzt kommt später in der zeit. jetzt ist es da, im augenblick, jetzt liegt's schon wieder weit zurück. ... |
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207 | verlassen | |||
Vorschautext: wenn seine worte mich verstossen, dann werde ich ein teil der nacht. nur dunkel spiegle ich mich wieder in deinen augen, mein geliebtes kind, das ich doch immer schützen will. die hand, die streichelt, ist erstarrt, die geste leer und nur ein spiel im abendwind. er trägt sie mit sich fort. manchmal weiss ich nicht mehr, ... |
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206 | die alten kennen ihn noch | |||
Vorschautext: sie spotteten seiner, und keiner griff ein. sie liessen die kinder die lästerung schrein. er war schon ein greis und er taumelte fast, doch schlurfte er weiter in ängstlicher hast. sie nannten ihn „stürmer“, so riefen sie ihn, wie einst, als das blatt des verbrechers erschien. er wollte ja nur ihren worten entfliehn. nicht einer, der half. ich war noch zu klein. es schnitt wie ein messer ins herz mir hinein. wie konnte ich damals ein bruder ihm sein? ... |
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205 | lied der liebe | |||
Vorschautext: für meine frau ich liebe dich, und hand in hand gehn du und ich ins zauberland. mag keinen augenblick dich missen, ein schritt schon lässt mich einsam sein. du wohnst im herzen, will dich küssen, und nimmer lass ich dich allein. ... |
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204 | mea culpa | |||
Vorschautext: ist denn das ziel von unsrem leben nicht liebe und barmherzigkeit? ich habe nicht genug gegeben, denn allzu oft war ich bereit, mein herz dem mitleid zu verschliessen. darin besteht mein lebensleid. ich bin beschämt. in reue will ich dafür büssen. demütig bitte ich, vergebung zu erlangen von aller schöpfung, der ich leid gebracht, wo achtlos ich vorbeigegangen, ... |
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203 | auf einer burg | |||
Vorschautext: ein tag wird lang in tausend jahren, denn kinder spielen nicht mehr hier. hinter den mauern, die sie bargen, schleicht weltraum wie ein wildes tier. die hohlen fenster gähnen leere, doch manchmal schaun sie noch hinaus, als ob das leben wiederkehre, als hüteten sie nur das haus. Copyright © Marmotier 2013 |
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202 | ein traum | |||
Vorschautext: des nachts kam einst ein traum geflogen und flüsterte mir scheu ins ohr: die liebste, die ich lang verlor, sie sei noch immer mir gewogen. schnell sprang ich auf, um fortzugehen, weil alles noch an sie mich band, und suchte sie, bis ich sie fand. ich sah sie dort am fenster stehen, wollt' meine arme um sie legen und küssen ihres kleides saum. ... |
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201 | betrogen | |||
Vorschautext: sie war im herzen ihm gewogen. er sah sie an und nahm sie hin wie bisher, nur allein bezogen auf seinen eigenen gewinn. er hatte and're stets betrogen, mit treue hatt' er nichts im sinn. so hat er sie dann auch belogen, wenn es ihm förderlich erschien. als sie's erfuhr, blickt' sie nur stumm und lächelte, als wär's ein scherz, ... |
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200 | träume | |||
Vorschautext: unten, am ufer des flusses, spielen die träume wie federn im wind, schweben in räume schlafender lieder, wo wir nicht mehr sind. unten, am ufer des flusses, träume auch ich, träume, ich finge sie wieder für dich. ... |
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199 | herz im baum | |||
Vorschautext: da war ein kleines bäumchen. er schnitt ein herz hinein in seinem kinderträumchen. er war mit ihr allein. sie sassen wang' an wange und hielten sich die hand. ihr herz schlug hoch und bange im bunten zauberland. der baum ist gross geworden. er überragt die zeit. ... |
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198 | klage | |||
Vorschautext: wolfsmond. undenkbar weites urgesicht, vergess’ner brüder lautes licht. auflodert blut. es weint die nacht. Copyright © Marmotier 2012 |
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197 | abschied | |||
Vorschautext: er sagte: weit. und sie: fliegt da ein vogel hin? und: weit. was ist das? was ist: dort? der vorhang, wenn er kam, war immer zugezogen. ich muss zurück, wohin? ... |
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