Titel | ||||
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176 | der schild der treue | |||
Vorschautext: die frau von gegenüber griff heut nach meiner hand. sie weinte immer wieder, dass ich sie kaum verstand. sie ist jetzt ganz alleine: ihr mann hat sich getrennt, und kinder hat sie keine. jetzt scheint ihr alles fremd. kannst du das denn verstehen? du weisst, dass ich vertrau. ... |
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175 | späte begegnung | |||
Vorschautext: verzeih, ich will nicht stören, kennst du mich denn nicht mehr? ich sag nur eines: Woodstock! in meinem roten schnürrock sass ich doch neben dir. kannst du sie auch noch hören, Joan Baez und Joe Cocker, die Joplin und The Who? ganz irr war Jimi Hendrix, der riss dich glatt vom hocker. nun gib schon zu, du kennst mich! ... |
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174 | abschied im sommer | |||
Vorschautext: für TBZ es fällt im schatten eine strähne des blauen himmels zu mir her. auf trägem flusse treiben schwäne und träumen sich ins ferne meer. ich sehe ihre weissen kleider und nehme abschied, klaglos still. ich weiss nicht, ziehn die schwäne weiter, oder bin ich's, der gehen will. ... |
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173 | wilde pferde | |||
Vorschautext: fliegende mähnen tanzende sehnen der hufe gewalt dampfende nüstern flusswasser flüstern schnaubender halt im kampfspiel sich bäumend vor übermut schäumend noch nie überwunden von keinem geschunden nicht halfter nicht sporen ... |
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172 | theodizee | |||
Vorschautext: er sann jetzt nach. gott war zu fern. verbarg er sich in dunklen weiten unnahbar hinter seinem letzten stern? hatte er seiner schöpfung sich vermessen und dann vergessen des daseins leiden? verhallte ungehört der grosse schmerz all derer, die verzweifelt nach ihm schrien? manchmal erschien es ihm, als habe gott kein herz. ... |
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171 | mohnrote felder | |||
Vorschautext: mohnrote felder blühen im weissen ödgestein. ein hirte hütet ziegen. sein esel trägt ihn heim. die drohne sieht's von oben, kommt emsig angeflogen. man fragt sich doch, was dieser mann heimlich im schilde führen kann. schiesst er auf die soldaten, die einst sein land betraten ... |
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170 | unter der linde | |||
Vorschautext: von Walther von der Vogelweide frei übertragen aus dem mittelhochdeutschen ein versuch unter der linde auf der heide, da unsrer liebe lager war, da könnt ihr finden, wo wir beide zerknickt die blumen und das gras. vor dem walde in einem tal, ... |
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169 | nie mehr? | |||
Vorschautext: das bübchen ist drei jahre alt. hier draussen ist es bitterkalt. das bübchen weint, hat angst. es friert. es läuft zur mutter hin ein stück, doch die hat man schon selektiert. die schergen jagen es zurück. es reisst sich wieder los. sie fangen's wieder ein, halten die mutter fest, die schinder: ... |
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168 | sag mir einer: was ist liebe? | |||
Vorschautext: von Walther von der Vogelweide frei übertragen aus dem mittelhochdeutschen ein versuch sag mir einer: was ist liebe? weiss zwar manches, wüsst' doch gerne mehr. wer sie besser kennt, der gebe mir kund, warum sie schmerzt so sehr. denn liebe ist nur liebe, tut sie wohl: tut sie uns weh, so ist es nicht mehr liebe. dann weiss ich nicht, wie man sie nennen soll. ... |
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167 | falkenlied | |||
Vorschautext: vom Kürenberger frei übertragen aus dem mittelhochdeutschen ein versuch ich zog mir einen falken länger als ein jahr. als ich gezähmt ihn hatte, dass er mir tauglich war, und ich ihm sein gefieder mit gold'nem band umwand, stieg weit er in die höhe, flog in ein andres land. seither sah ich den falken gar herrlich oben fliegen. er trug an seinem fusse aus seide einen riemen. ... |
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166 | schlaflied | |||
Vorschautext: liebling mein, bist noch klein. husch ins bettchen schnell hinein. schliesst die äuglein du zu, küsst der schlaf dich im nu. hör die englein schon singen, die dir träume mitbringen. hast am tag lang gewacht, ruhe sacht, gute nacht. schlafe ruhig, liebes kind. gott beschützt dich bestimmt. ... |
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165 | die pferde der Namib | |||
Vorschautext: vielleicht aus schiffen, zerschellt an riffen oder versenkt, zur küste geschwommen, dem meere entronnen, die wüste gewonnen. vielleicht auch im kriege durch bombenflüge versprengt in jenes verödete land. die herkunft noch heute ... |
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164 | rasennager | |||
Vorschautext: ich säte einmal rasen aus, ein stückchen nur, als augenschmaus, direkt am fenster vor dem haus. um mich an sattem grün zu freuen, musst ich recht viele samen streuen. und tag für tag sah ich hinaus. ein hälmchen hier, ein hälmchen da, doch rasen war das nicht, fürwahr. das unkraut wuchs. das gras blieb aus. nun wollt ich keine kosten scheuen ... |
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163 | das leiden der füchse | |||
Vorschautext: achtung! tierquälerei! ein schöner tag. die sonne scheint, die's heute gut mit allen meint. der stolze jäger geht auf pirsch, doch steht der sinn ihm nicht nach hirsch. nein, heute soll ein fuchs es sein. darum geht er auch nicht allein. sein wack'rer dackel Balduin darf mit ihm und begleitet ihn. ... |
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162 | der atheist: über moral und weltgericht | |||
Vorschautext: man redet von moral daher, als ob sie was besondres wär. sie ist nicht göttlich eingesetzt, als gut und böse, recht und schlecht. wir haben sie uns selbst gemacht. kein gott hat sie für uns erdacht. der gott, der niemals mit uns spricht, der jedenfalls, der hat sie nicht. sie ist vielmehr nur konvention, wir handeln nicht um gottes lohn. man kann sich so ins freie wagen ... |
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161 | das flüstern des sommers | |||
Vorschautext: ich sass in gedanken verloren am bächlein und lauschte ihm nach. auch horcht' ich, was wispernd verschworen mein schatten so lang mit ihm sprach. von oben tropfte im bluten die sonne, bevor sie versank. es flattert' herab aus den gluten ein krächzender rabe und trank. Copyright © Marmotier 2013 |
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160 | mein freund, die maus | |||
Vorschautext: die maus, erst scheu und gleich verschwunden, hat ihre angst nun überwunden. sie blickt voll stolz jetzt zu mir auf: das futter geht ihr nicht mehr aus. nun wohlbeleibt und etwas rund, vertraut sie mir als mausehund. ich bin ihr bester freund geworden, träger vom grossen mäuseorden. Copyright © Marmotier 2013 ... |
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159 | Taj Mahal | |||
Vorschautext: liebe ragt aus marmorsteinen weiss in himmelsblau hinein, denn nur sie kann wieder einen, was der tod zertrennt allein. abertausend blüten weinen, wenn vom tau sie sanft erwacht. alle weinen mit dem einen, der geklagt die ganze nacht. eigner sohn hält ihn gefangen. starr sieht er zu ihr hinaus. ... |
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158 | Rimbaud verstummt | |||
Vorschautext: der vorhang verdichtet die stille, bis wind sich im faltenwurf fängt. aufwirbeln die toten gefühle Rimbauds, der die jugend verbrennt. vertrocknete ranken rahmen ein trauerbeflortes bild. sie tragen den tödlichen samen, der alles begehren stillt. Copyright © Marmotier 2013 |
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157 | das raunen erlauschen | |||
Vorschautext: wir müssen vom leben sagen, von dem, wie im dunkel es bricht, in freude und tiefem wehklagen erlauschen, was nimmermehr spricht. wir müssen zu deuten wagen all das, was nicht deutbar ist, des meeres rufen ertragen wie schilf, wenn der wind es küsst. die rose will in uns sich neigen, wenn unser blick sie liebkost. ... |
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