Titel | ||||
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96 | schande | |||
Vorschautext: die welt ist aus den fugen. in strömen fliesst das blut. seit Abel sie begruben nur habgier, hass und wut. wie bestien wüten horden und metzeln frau und kind. kein ende hat das morden, wo immer menschen sind. in ost und west, in süd und nord, im namen jeder religion, ... |
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95 | schweigen | |||
Vorschautext: im garten wollte er nicht bleiben. er fröstelte. es wurde kalt. zu tisch sass er mit ihr im schweigen. sie sprach nicht mehr. sie war schon alt. ein pfleger brachte ihn ins zimmer. "jetzt geht es aber schnell ins bett!" das sagte er am abend immer. mehr nicht. er aber fand es nett. dann starrte er noch an die wände. wo blieb sie jeden tag so lang? ... |
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94 | bewahrt | |||
Vorschautext: es gibt augenblicke, die bleiben. das herz lässt sie nicht mehr vergehn. es kann keine zeit sie vertreiben, kein sturmwind ins all sie verwehn. einst sassen wir wange an wange. für uns blieb die welt einfach stehn. dann gingst du. ich wartete bange. ich hab dich nie wiedergesehn. Copyright © Marmotier 2014 |
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93 | kindheit | |||
Vorschautext: du lieber Gott, ich bin noch klein, und bitte, bitte glaube mir: ich will stets brav und folgsam sein. am liebsten käme ich zu dir. doch leider hab ich keine zeit, ich helfe Papa blumen binden, steh dann am strassenrand bereit und muss mit Mama käufer finden. bald komme ich in die fabrik, soll dort mit andern mädchen nähen. ... |
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92 | darüber hinaus | |||
Vorschautext: ich sah einen raben fliegen mit flügeln so schwarz wie die nacht. er liess sich vom abendwind wiegen. sie kosten einander ganz sacht. der tag war vom licht fast geschieden. die sonne stand tief und blutrot. hochauf war der rabe gestiegen. er spähte. wo war sie im tod? Copyright © Marmotier 2014 |
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91 | Hannah und der schmetterling | |||
Vorschautext: ein schmetterling wollte fliegen. er gaukelte weiss über dir, liess sacht in der sonne sich wiegen, als wäre sein lieblingskind hier. du gingst schon auf eigenen wegen. er flatterte flugs hinterdrein, so rein wie ein himmlischer segen. er musste dein schutzengel sein. Copyright © Marmotier 2017 |
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90 | noch immer | |||
Vorschautext: die ferne kreist um eine mitte, in der du nun schon lange stehst. noch immer hör ich deine schritte. es ist, als ob du jetzt erst gehst. glaubst du dich wirklich denn vergessen? dort, unter dem kastanienbaum, wo herz an herz wir einst gesessen, träumt sich bis heute unser traum. Copyright © Marmotier 2014 |
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89 | sonnentag | |||
Vorschautext: der blaue himmel umschäumte gesichter im wolkensaum. die blumenwiese sanft träumte von blüten am kirschenbaum. fern leuchteten rot her die dächer des dörfleins am rande der au. es koste der wind als ein fächer des wanderers stirn wie der tau. doch jäh war die stille die beute von weithin gellendem schrei. ... |
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88 | im zauberland | |||
Vorschautext: für unsere kleine Sina seitdem du bei uns bist, ist in den tagen nichts mehr so still und ernst wie ehedem. dein lächeln zaubert uns in alte sagen, als wir die guten feen noch gesehn. wie konnten wir denn früher einsam schlafen, als noch dein atem nirgends bei uns war? vergessen ist die welt, eh wir uns trafen. erwacht soeben, streicheln wir dein haar. ... |
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87 | die wand | |||
Vorschautext: wie oft beginnt sie sich zu fragen, wo denn die vielen menschen sind. im heim hier kann es keiner sagen. war da nicht etwa noch ein kind? doch, doch. es war ein bub gewesen. jetzt weiss sie es. ein bub. genau! ihr bub. sie hatte einst gelesen aus seinen augen. himmelblau. "er wird mich sicher sehr vermissen, wenn ich dann einmal nicht mehr bin." ... |
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86 | schwermut | |||
Vorschautext: so viele tage schon verweht. ohne frage. stumm verdreht. endlich schlafen. traumgenarrt. dass wir uns trafen längst verscharrt. todesstille. keine hand. ... |
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85 | Danton | |||
Vorschautext: zur erinnerung an Georg Büchner in anlehnung an einzelne szenen aus "Dantons Tod" * ach, Robespierre, wie du lügst! das leben ist eine scharade, die du mit der tugend betrügst in närrischer maskerade. es ist der mühe nicht wert, die man sich macht, es zu erhalten. ... |
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84 | liebkosung | |||
Vorschautext: ich möchte alle blumen küssen und bleibe oft am wegrand stehn, wo sie im staube blühen müssen und welken und des nachts vergehn. ein jedes tier möcht' ich liebkosen und lindern seines daseins not. wir wurden auch hinausgestossen und irren hilflos in den tod. Copyright © Marmotier 2014 |
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83 | niemandes schlaf zu sein | |||
Vorschautext: hommage an Rainer Maria Rilke tief berührt von den Duineser Elegien * mutete einer der engel sein herz dir zu, oder stehst du, erschrocken vom eigenen abschied, noch einsamer nun vor der kalten tafel aus marmor in Santa Maria Formosa? ach, schon die berührung der worte ... |
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82 | puppenspiel | |||
Vorschautext: es war einst ein puppenspieler, der liess seine püppchen sich drehn, besessen von rasendem fieber im tanze vorüberwehn. wie rauschten da die kostüme! vorbei wischten rot, blau und grün. in wildestem ungestüme jagten die püppchen dahin, bis sich die fäden verwirrten. nun hatte es grosse not. ... |
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81 | nachtgespenster | |||
Vorschautext: im traum zum kaffeekränzchen suchten mich ferkel heim, mit kleinen ringelschwänzchen und grossen äugelein. sie brachten mir ein ständchen aus grunz und oink und quiek und trugen rote bändchen. wie hatte ich sie lieb! drum wollte ich sie streicheln, doch, ach, sie scheuten mich, ... |
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80 | ende des herzens | |||
Vorschautext: mein herz zersprang, als es den schwalben folgte. ein sturm bezwang's, da stürzte es herab. nicht du, geliebte, hast mir's fortgenommen. es starb von ganz allein, weil es mich nicht mehr trug. man sagt ja, dass selbst engel nur so weit fliegen können, ... |
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79 | advent | |||
Vorschautext: lange nächte, trübe tage, regen fällt ins herz hinein. nässe, kälte, mühsal, plage, düstren sinnes und allein. lieb, dem herzen fortgenommen, und kein warten. nichts tritt ein. keiner wird zum trösten kommen. flackernd stirbt der kerzenschein. auf der fensterbank ein blümchen, pflege es schon manches jahr. ... |
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78 | Harmageddon | |||
Vorschautext: dumpf grollt es empor in den bäumen als brächen sich urgluten frei. wo vögel ins morgen sich träumen, stiebt's auf, flattert nächtig vorbei. dann huschen die schatten vorüber und stürzen sich tief in das meer. die wellen rollen im fieber und schäumen verloren umher. wild jagen die wolken am himmel, ins ferne die sterne verwehn. ... |
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77 | trost | |||
Vorschautext: ich denke, dass die nächte finsterer sind als die tage und dass es noch blumen gibt, die genug farbe zum leben trinken. ich glaube, dass der himmel fester geworden ist und seine sterne wieder trägt, weil du mich tröstest, ... |
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