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Gedichte über Fantasie - Seite 15


Das Schlangenei

Hinter knorrig, alten Eiben,
wo noch der weisse Uhu lebt.
Wo Schlangen sich entleiben,
ein Mühlenrad sich lautlos dreht,
da hat aus Faserholz genäht:
ein buntes Schlangenweibchen.

Was trägt sie für ein Häubchen,
das ist zierlich anzusehn.
Darauf funkeln Stäubchen,
als Diamantkristalle.
Doch in der Luft, blitzt eine Kralle,
von einem Basilisken.

Ach, das Schlangenküken!
ahnt nichts, von fliegender Gefahr.
Dochs Faserholz, es will ja glücken.
Daraus entsteht so wunderbar:
Ein genähtes Schlangenei. Oh ja.
Schon liegt es in der Sonne da.

Vom Glanz der Haube angezogen,
kommt im Sturzflug angeflogen:
der Basilisk, mit Pfeilesschnelle.
Jetzt schiesst er einen Feuerstrahl,
auf Schlangenweibchens bunte Pelle;
der doch zum Glück nicht traf.

Das Ei, es rollte, wie im Schlaf,
langsam weg, als Identität.
Das Schlangenei, wie rollt es brav,
hinter blitzgespaltne Eibe.
Schon zerbrichts: die Eierschalenscheibe,
wächst empor, zur ganzen Stärke.

Schon gehts zur Sache. Hart zu Werke.
Das Wesen fliegt, mit Klingenflügelpaar,
hoch zum Basiliskenscherge;
und der Kampf beginnt, ganz sonderbar.

Funken stieben. Stalaktiten,
rammen sich ins Erdreich ein.
Dass die sieben Eiben glühten,
sich verlor der Sonnenschein.
Doch das bunte Schlangenweibchen,
sammelt Eierschaln, in ihr Häubchen.

Doch der Kampf von den Gestalten,
will immernoch kein Ende wähnen.
Wie sie sich würgten und verkrallten:
das Schweife flogen, wie die Strähnen.
Heisse Perlen gabs als Regen.
Ach, ein fürchterlich Begegnen!

Jetzt tönt vom Schlangenweibchenhäubchen,
ein lauter, schriller Pfiff hinauf.
Da, jetzt fliegt es! Saltos. Schräubchen:
und schlitzt den Basilisken auf.
Das Wesen landet Siegessicher.
Gibt von sich: herrliches Gekicher.

Ja, dieses Mythenwesen, ist ein Frosch!
mi Storchenschabel. Klingenflügelpaar.
Mit Füssen gross, das jeder Brand verlosch.
Und solche Augen, wie ein Adler klar.

Das Ei aus Faserholz genäht,
umgibt die sieben Eiben.
Jeder Stalaktit, als Säule steht,
als ein Bauwerk für das bleiben.

Die Eierschalen: Haus und Heim;
glänzen wie die Sonnenstrahlen.
Der Froschstorchaar, er sondert Schleim,
setzt sich mit Warzenkahlen
Hinterteil;
in eine Wasserschüssel.

Ach, dann schnappt sein Zungenrüssel,
nicht nach Honig, nicht nach Wein!
Nein! er schnappt nach einem Schlüssel,
geschnitzt aus Knochenbein.

Das Schlangenweibchenhäubchen,
im Abendsonnenschein,
ist beschäftigt, grad mit Häuten.
Regelt sich. Ringelt sich. Ist es Pein?
Und die Eiben auf sie streuten:
Rote Beeren. Fruchtfleischklein.

Schlangenhaut liegt. Hats was zu bedeuten?
Das Schlangenweibchen schneidet Streifen;
und garnt die Haut zum Wollknäul auf.
Froschstorchaar gibt Pisse drauf.

Schon näht sie wieder: die bunte Schlange.
Näht sich und auch den Froschstorch ein.
Was näht sie schnell. Wer weiss wie lange?
Und auch das Knochenschlüsselbein,
wird eingenäht, in Schlangenhaut.

Was fürn Kokon, ist jetzt gebaut?
Wo zwei Wesen sich verbinden.
Das gar der Uhu närrisch schaut;
und sich nicht traut, es zu verkünden.

Die zauberischen Fruchtfleischbeeren,
die immernoch die Eiben werfen,
als wollen sie Kokon betören.
Dem Uhu flattern stark die Nerven.
Da schon das Teil zu bersten quillt.

Und im Kokon, ein Sturmwind brüllt;
um mit Kraft gleich zu zerstören.
Ach, das Teil, es schwillt und schwillt -
und wies platzt, tut sichs entleeren.
Was sieht man für ein schönes Wesen.

Das strahlt so hell und nichs von Bösen,
ist am ganzem Leib zu sehen.
Das Mühlennrad, es ist am dösen.
Tut sich nur in Zeitlup drehen.
Und die Welt ist im Glanz entpuppt.

Ein Drachen fliegt, ganz Sterngeschuppt,
mit Feuerbrandnen Phönixflügeln.
Sein lila Schatten tut sich spiegeln:
Vom Waldesrand zum Horizont.
Wo sich darin der Uhu sonnt.

So steht die Welt kurze Zeit still,
für einige Minuten.
Unglücksteufel muss sich sputen!
wenn Böses er erreichen will.
Denn Schlangeneier sind die Guten.
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Frau Holle ein modernes Märchen

Frau Holle - diesen Namen kennt
nicht nur, wer sich "gebildet" nennt:
schon jedem Kind, das einmal Märchen
gehört hat, ist er klar wie Klärchen.
In Stadt und Land, in aller Welt
weiß jedermann: wenn Regen fällt
und winters weiße Flockenpracht,
ist sie's, die dann grad Betten macht.
In ihrem Ofen backt sie Brot
und Äpfel fallen, frisch und rot,
im Garten von Frau Holle, kaum
dass man dran rütteln muss, vom Baum.


Zuständig ist seit eh und je
Frau Holle also für den Schnee -
und zwar - hast du das je einmal
bedacht? - weltweit! Jawohl: global!
Frau Holle hat, das siehst du nun,
da doch so allerhand zu tun.
Schneemachen ist kein Kinderspiel.
Die Arbeit wird ihr oft zuviel.
(Die Jüngste ist sie auch nicht mehr.)
Sie bräuchte Hilfe. Aber wer
ist heut' zu helfen noch bereit?
Kein Mensch hat mehr zum Helfen Zeit.

So kommt es, wie es kommen muss:
Dort gibt es Schnee im Überfluss,
wo's sonst noch nie geschneit hat je;
woanders wartet man auf Schnee
und bläst, damit die Skitouristen
nicht murren, Kunstschnee auf die Pisten.


Frau Holles zweiter großer Segen
ist - außer ihrem Schnee - der Regen.
Gerecht Verteilen ist bei dem
ein fast noch größeres Problem:
Kein Mensch will wochenlang nur schwitzen,
erst recht nicht auf dem Trocknen sitzen.
Trinkwasser ist für Mensch und Tier
und Pflanze Lebenselixier.
Ringsum verteilen also muss
Frau Holle ihren Regenguss.
Das ist fürwahr kein Kinderspiel.
Die Arbeit wird ihr oft zuviel.
(Die Jüngste ist sie auch nicht mehr.)
Sie bräuchte Hilfe. Aber wer
ist heut' zu helfen noch bereit?
Kein Mensch hat mehr zum Helfen Zeit.

So kommt es, wie es kommen muss:
Dort regnet es im Überfluss,
dass Berge rutschen, Mensch und Tier
ertrinken elend, während hier
sie dürsten und der Boden trocken,
zu Sand wird, weil die Quellen stocken.


Frau Holle backt auch immer schon
für Menschen eine Brotration.
Doch unlängst ist es wie verhext:
die Zahl der Menschen wächst und wächst.
Und hier erweist sich außerdem
als schwerstes das Verteil-Problem:
Das Backen ginge grade noch,
am Brotverteilen krankt's jedoch:
Portionen kommen falsch ans Ziel.
Frau Holles Arbeit wird zuviel.
(Die Jüngste ist sie auch nicht mehr.)
Sie bräuchte Hilfe. Aber wer
ist heut' zu helfen noch bereit?
Kein Mensch hat mehr zum Helfen Zeit.

So kommt es, wie es kommen muss:
Hier gibt es Brot im Überfluss,
sodass gedankenlos die Satten
zum Müll es werfen für die Ratten,
indessen dort, weil's fehlt an Brot,
manch Kind schon stirbt den Hungertod.
Nicht um sich Reichtum zu erraffen,
aus Hunger greift man zu den Waffen
und ein Verzweiflungskrieg beginnt,
weil's Brot nicht reicht für Frau und Kind.


Frau Holle nennt auch stolz ihr Eigen
ein Apfelbäumchen. An den Zweigen
hängt Jahr für Jahr zur Erntezeit
die schönste Lese weit und breit.
Doch wenn der Herbstwind dann dran rüttelt,
die Äpfel von dem Bäumchen schüttelt,
sodass sie auf die Erde fallen,
ist keineswegs gewährt bei allen,
dass Menschen sie nur essen. Nein,
den Menschen fällt auch and'res ein.
Was aber kann Frau Holle machen?
Den Fall der Äpfel überwachen?
Und was draus wird, wenn einer fiel?
Die Arbeit wird ihr oft zuviel.
(Die Jüngste ist sie auch nicht mehr.)
Sie bräuchte Hilfe. Aber wer
ist heut' zu helfen noch bereit?
Kein Mensch hat mehr zum Helfen Zeit.

Nicht nur um Äpfel muss man bangen,
wenn sie in Menschenhand gelangen.
Mit allem, was er grapschen kann,
stellt prompt der Mensch das Schlimmste an.
Aus Obst macht er sich Alkohol:
ein Apfelschnäpschen. Dann zum Wohl!
Zwar heißt es, Trinken mache dumm
auf Dauer, doch wer schert sich drum?
Fürs erste wird oft, wer zu tief
ins Glas geschaut hat, aggressiv.
Ob Kumpels, Kinder oder Frauen:
im Suff wird einfach draufgehauen;
denn schließlich hat man seinen Frust -
und jetzt ihn abzubauen Lust.
Schon macht als Wettkampfsport die Jugend
von heut' aus Trinken eine Tugend.
Doch Alkohol macht, liebe Kinder,
euch nicht erwachs'ner noch gesünder.
Die Zukunft mag nicht schön sein, wohl -
sie wird's auch nicht durch Alkohol.


Nie mehr wird es so schön sein wie
zu jener Zeit der Goldmarie.
Dies Mädchen war, wie jeder weiß,
ein Muster an Geschick und Fleiß.
Es half auf jede Art Frau Holle,
speziell jedoch durch liebevolle
Verteilung auf der Welt von Regen,
Schnee, Brot und Äpfeln. Als hingegen
die Pechmarie sie rausgemobbt
und dann an ihrer Statt gejobbt,
war innerhalb von zwei, drei Wochen
das volle Chaos ausgebrochen:
Nur ungern tat sie ihre Pflicht,
die Arbeit kümmerte sie nicht:
Schnee, Regen, Äpfel, Brot - egal.
Keck sagte sie: "Ihr könnt mich mal!"
Das ist dann doch ein schlechter Stil.
Frau Holle wär' es längst zuviel
(Die Jüngste ist sie auch nicht mehr.)
Sie bräuchte Hilfe. Aber wer
ist heut' zu helfen noch bereit?
Kein Mensch hat mehr zum Helfen Zeit.

So bleibt sie angewiesen wie
bis dato auf die Pechmarie -
die freilich keine Hilfe ist;
denn was die anpackt auch, wird Mist.
Ja, Pechmarie, ihr lieben Leute,
verteilt Frau Holles Gaben heute.
Und was sie da schon angestellt,
das seht ihr an der heut'gen Welt.

Wollt ihr jedoch was ändern dran,
klopft einfach bei Frau Holle an.
Was hör' ich? Ihr wärt gern bereit?
Ach so: nur leider keine Zeit ...
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