Gedichte Über Lüge - Seite 21

So ganz zufällig sind wir,
haben uns nicht gewählt, aber gemacht,
im Rahmen der Möglichkeiten,
im Rahmen des Gebotenen,
im Rahmen des Bildes, dass wir uns von uns machen.
Zufällig, als fiele uns etwas zu,
wir werden erschlagen,
ohne das geringste zu spüren.
Die Kausalität ist eine vertraute Lüge,
damit wir Bestand haben,
im Absurdesten noch, werden wir fündig.
Wir stehen mit beiden Beinen fest auf dem Haufen
des Zufalls, längst fällig.
Wir haben zu verstehen,
haufenweise die Fragen – Warum wir?
Warum ich?
Wir bestehen auf schlüssigen Antworten, als gäbe es sie.
Wir leben in den Geschichten, die zu uns passen,
probieren sie aus, wechseln sie, wenn die Kluft ganz zerrissen
oder weil wir unseren Sonntagsstaat präsentieren wollen.
Bin ich ein anderer, wenn ich auftauche aus dem Schlaf?
Traumloses „reset“ - die Programme laufen wieder.
Traumreich – es gab ein update,
ein paar kilobyte als versteckte Datei.
Na dann, ein paar neue Daten haben noch Platz,
sie finden ihren Ort, wenn wir speichern drücken,
In der Hierarchie der Geschichten,
in Datenpakete gepackt, optimiert.

Verstehe ich den Absturz, der da kommt?

drug

Versuch über BLAUBART

Blaubart wartet auf den Tag,
da er nicht lieben muß -
er hats versucht, vergeblich mal um mal,
immerwieder landet er
als Leiche mit im Sarg
und nimmt sie mit die Qual.

Dann kommt der Jüngste Tag
und jeder sagt:
er sei der Mörder dieser Frau´n.
Was jetzt noch kommt
heißt Gottvertrauen.

Wer befreit ihn aus dem Gleichnis ?
Keine Frau, kein Gott – wohl nur er selbst !

Hör auf zu leiden !
Hör auf zu lieben ?
Schweig still und nimm dich hin !

drug

geheimnis um deinen tod rankt
wie hundertjähriges dornengestrüpp
versteinerte zeit währt ewig
damit dein leben und dein tod
keine drängenden fragen stellt
dein leerer blick in niemand lebendig
geduldig schweigend
am zeitgitter der seele in der du zu hause warst
wartend darauf dass die letzte mauer
in sich zusammenfällt
und wahrheit und wahrheit
sich auge in auge gegenüber stellt -
dann kannst du gehn
und deine seele weiß
warum

geheimnis um dein leben davor
dein leben danach
noch wird es verwaltet
hinter trägen mauern von ämtern
und der höhnenden macht
des schäbig gekauften rechts
schweigen zu erzwingen
auszuschließen aus den räumen
in denen der letzte hauch deines lebens hing
eine mauer von ihrer würde beraubten
dich ehemals liebenden menschen
missbraucht für den letzten auftritt
der bis ins detail geplanten rache
an dem schmerz und der drängenden frage
‚warum?‘

geheimnis um deinen tod rankt
wie hundertjährige lüge
macht im vernichtenden blick
schweigen der gnadenlos gepressten lippen
als antwort auf alle fragen
dein leerer blick in meinem lebendig
geduldig schweigend
am zeitgitter der seele in der du zu hause warst
ein augenblick ist zeuge als die mauer
in sich zusammenfällt
und wahrheit und wahrheit
sich auge in auge gegenüber stellt -
ich drehe um und lasse dich gehen
und meine seele weiß
warum.

 
*an meinen Sohn Danjar