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Gedichte über Krieg - Seite 92


D. Der Geselle

Das derbe Leben und Politisieren von Gesellen und Knechten des frühbürgerlichen Zeitalters der Stadt:
Es arbeiten vier Gesellenin einer Werkstatt eines Meisters, der im ganzen Ort und weitem Lande der Modernste ist: Er ist Küfer, Radbauer, Zimmermann und Schmied. Erst später kommt er auf die Idee, und zwar nach einem Gespräch und Verhandlungen mit einem reichen
Kaufmann, seine Handwerksmeisterei zu einer Manufaktur
zu erweitern. Wie der Geschichtskundige weiß, ist hierin, im Zusammenlegen unterschiedener Handwerke unter ein Dach, eine Entstehungsursache der dann größeren Handwerksmanufaktur zu finden. Die vier Gesellen allerdings noch sehr unbekümmert, beginnen hier einen derben Redeschwung, Fluch über ihr Sein im Besonderen und Allgemeinen unter dem Gewölbe Gottes der Reichen. Schon bald schließen sie sich einer strengen Bruderschaft an und greifen in die politischen Kämpfe des 14. Jahrhunderts und folgenden ein. Uns ist es nur möglich, einen sehr kleinen Ausschnitt der Lebensart des spätmittelalterlichen Menschen aufzuzeigen. Und der kundige und phantasiereiche Leser wird angehalten, die folgende Geschichte zu vervollständigen und zu erweitern.

Martin:
Ich, Freunde, bin ein Geselle,
Am Kopfe schon eine Delle,
Der Meister in der Schwelle,
Verschafft mir eine Kelle
an meinem Kopfe,
Die ich blutwunden mit Mull schon stopfe.

Thomas:
Ich nehme den Hammer in meine Hand,
Mit diesem Hammer der Geselle im Land,
Ist der wirkliche und wahre große Meister,
Jede andere Aussage: Fade, Lüge, Kleister;
Der Geselle sich schon in Bruderschaften trifft,
Und gelegentlich in Bruderschaften einen Joint auch mal kifft,
Aber nach allen gestrengen Regeln und Gesetzen
Darüber disputiert, wie Meister unsere Interessen verletzen.

Robert:
Achtung Schritte, der Meister eilt,
Er gerne unter seinen Gesellen verweilt,
Er immerzu selbige Worte spendet
Und uns beständig das Wort im Munde umwendet;
Achtung Schritte, der Meister eilt!

Der Meister:
Meine Herren, heute darf ich es euch endlich sagen:
Seid endlich still, niemand darf etwas fragen!
Ich befehle und damit jetzt und für immer basta,
Und daß mir niemand mehr muckt, wie denn und was da!
Ich befehle, wie es halt so ist,
Damit auch ihr endlich um meine Befehle wißt.
Martin, komm her, du derber Trottel,
Und wisch hinweg von deinem Latz den Zottel,
Und wisch auch den Wisch vom Latz doch weg,
Und wisch deinen Bart mit der Zunge sauber leck!
Und Thomas, du Galgenjunge,
Was führst du schon wieder auf der Zunge?
Hast du wieder den Schalk im Nacken,
Am Nacken der Schalk wird dich packen,
Oder den Schalk ich werde dir knacken.
Robert, was hälst du den Hammer so und so,
So brennt meine Werkstatt bald lichterloh,
Wenn lauter falsche Funken schlagen,
Welche sogleich in das Holz des Hauses hineinragen.

Ein Sprecher tritt auf die Bühne, spricht folgende Worte, währenddessen die anderen sich im Hintergrund fast lauthals streiten.

Martin, Thomas, Robert und ein vierter Mann,
Trafen sich einst beim Meister und irgendwann,
Fragten sie ganz leis um Arbeit nach;
Es war damals bei Koblenz, in Andernach.

Der Handwerksmeister besonnen, bedacht,
Hat die vier Gesellen gewiß nicht verlacht,
Fragte nach was sie pro Tag haben wollten,
So daß ihnen drei Groschen pro Tag entgegenrollten.
Die vier waren nun schon recht zufrieden,
Zu lang nämlich waren sie gewandert, wohin und wie denn
Sollten sie woanders im späten Mittelalter,
Finden einen neuen Handwerkskammerverwalter.
Sie arbeiteten zwöf Stunden am Tag
Bis es ihnen quer und krumm in ihren Mägen und Gliedern lag;
Wöchentlich träumten sie von einem blauen Montag
Oder damals schon von einem freien Sonntag;
Täglich spendete der Meister ein üppiges Mittagsmahl,
An Groschen in der Tasche allerdings gebrach es ihnen an der Zahl,
Darum traten sie ein in Bruderschaften der Gesellen,
Um als Gesellen sich in Bruderschaften gegen Meister aufzustellen.
Diese nämlich lagen in einem ewigen Streit,
In der gesamten Stadt, im Lande weit und breit;
Überall dieselben ehren Angelegenheiten,
Den Klassenkampf gegen Meister und Patrizier auszuweiten,
Der Patrizier, wie er zu seinem Geld gelangt und dieses gewonnen,
Währenddessen das Glück der kleinen Leute zerronnen, Wie er zu seinem Geld gelangt, möchte ich nun verraten,
Doch jeder weiß: Gesellen hämmern, schlagen und drahten,
Fertigen, bauen, hauen und sägen,
Mühen sich ab und lächeln verlegen,
Ihre Arbeit diente dem Kaufmann zum Wohlstand, Beileibe hat er sie als sein Werkzeug nicht verkannt.
Der Geselle: Heilig sind mir meine Knochen,
Doch kürzlich erst, es geschah vor einigen Wochen,
Schnitt ab ich die Finger meiner Hände,
Der Schmerz zog überall hin, bis zur Lende.
Ich schrie: verflucht und dies für dieses Geld,
Was bin ich doch für ein trauriger Held,
Keinen Tag länger soll er mich beuten,
Wie wäre es, wenn auch Meister und Kaufleute bereuten.
So gab es keinen Frieden zwischen den beiden,
Der Geselle konnte den Patrizier und den Meister, der
Patrizier und der Meister den Gesellen nicht leiden;
Doch auch der Meister stand mit dem Kaufmann in Streit,
Um die Macht im Stadtrat, bei jeder sich bietenden Gelegenheit;
Fast immer siegten Herr Patrizio und seinesgleichen,
Sie wollten von ihrer Macht keinen fingerbreit abweichen,
Und keinen einzigen Stuhl im Rat an Kleinbürger abgeben,
Obgleich auch diese nach Macht und Wohlstand streben.
Heute hat sich alles ganz anders entwickelt:
Die Lust, die Freundschaft, der Frieden, es prickelt,
Überall zwischen den Menschen die reinste Vernunft,
Ein jeder in einer solchen modernen Zunft;
Jeder hat nur den Vorteil des anderen im Sinn,
Ich schwöre es, bei meinem herrlich fettfeisten Doppelkinn.

Zum Abschluß der Szene kommt wieder ein Geselle zu Wort:
Ich für meinen Teil trete auf der Stelle,
Ich bin zwar kopfgewandt und überaus helle;
Doch während wir für unsere Rechte kämpfen,
Um die maßlosen Forderungen von Meistern und Kaufleuten zu dämpfen,
Folge ich meinem Schicksal der Manufakturen entgegen,
Auf vielerlei sozialen und ökonomischen Wegen,
Die Manufaktur hat den Meister und auch den Gesellen
eingefangen,
Während die Gesellen noch mit allhergebrachten Formeln rangen,
Wir beide folgten Schritt für Schritt,
Dem Ruf der Manufakturen Tritt für Tritt,
Aus uns sollte der spätere Lohnarbeiter werden,
International, in allen Ländern dieser Erden.
Zwar liebe ich dich sehr, du Menscheitsgeschicht´,
Doch gehöre ich an der niedrigsten Sozialschicht,
Bestimmt wird sie sich entwickeln, vielleicht schon Morgen,
Und hinwegfegen alle Rinnsal und Menschheitssorgen.
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E. Im Garten Eden

Vier Personen wandeln durch den Garten Eden.

Peter spricht:

Sind diese Ruinen etwa aus antiken Tagen,
Oder woher wohl kommen all diese Steine her, aller Lagen,
Liegen kreuz und quer in unserer Landschaft herum,
Überaus beredt, doch lautlos und stumm,
Überall Haufen und Steine, soweit die Sicht,
Unsere weitere Geschichte bereits in die Gegenwart sticht,
Wieder aufzubauen Stein für Stein,
Wieder zu träumen von einem Menschensein,
Doch habe ich geträumt in den wenigen Jahren,
Daß wir als Arier in den Himmel einfahren.

Peter spricht einige für die anderen unverständlichen Worte halblaut vor sich hin; es spricht Lisbeth weiter:

Wohl hast Du recht, auch ich habe geträumt,
Habe während der zwölf Jahre keinen einzigen Traum versäumt,
Habe "Heil!" geschrien und meine Hand erhoben,
Auch ich wollte unserem Führer Treue geloben.
Doch der Arier ist des Rätsels Lösung nicht gwesen,
Das habe ich heute in der Zeitung gelesen;
Um auszurotten den unseligen Jud,
Ihn auszuziehen bis auf sein Blut;
Wir hatten vieles gar nicht gewußt,
Der Konzentrationslager waren wir uns nicht bewußt.

Peter:

Seht her, was ich hier behalten habe,
Dieses Abzeichen versteckt, mit diesem trabe
Trabe ich zwischen den Ruinen laufsgestalt,
Was für Zeiten, als der Kaiser noch etwas galt;
Ein Abzeichen aus alten Tagen,
Möchte ich Euch mitteilen und hiermit sagen;
Auch fröhnte dem deutschen Militarismus
Und verachtete den Jud und auch den Kommunismus;
Dies waren halt die Zeiten,
Um Herrschaft und Barbarei über die Geschichte auszubreiten.

Peter nimmt seine Handfeuerwaffe und donnert zwei mal in die Luft. Indem er seinen Kopf konzentriert gegen den schwelenden Boden senkt, auf dem er steht, und dennoch das Ziel anvisiert, kommt ein herzgetroffener deutscher Adler geflogen und schlägt wenige Meter neben Peter und seien Begleiterinnen auf, erholt sich umgehend, sieht etwas Silbernes blinken, etwa den Vorläufer eines Markstückes, und verschwindet für immer zwischen den Trümmern und Ruinen der deutschen Geschichte.
Unbekümmert führen die anderen ihr Gespräch fort, wandeln und promenieren im Garten Eden der neuen Zeitgeschichte entgegen, verhandeln über den Geschichtsverlauf. Es wird dunkel und es wird Tag - viele Schweißtropfen geopfert, die deutschen Bordsteine wieder geordnet und gefegt, die Menschen wieder glücklich und gelöst; Im Panorama ihrer Städtelandschaften treffen Herr Borgward und Frau Volkswagen aufeinander, doch unbeachtlich dieser beiden
treffen wieder einige Personen aufeinander: Lisbeth (Sekretärin), Petra (Chefsekretärin), Waltraud (Sekretärin, aber keine Chefsekretärin) und Peter (Konzernchef in spe).

Lisbeth: Scheiße!

Petra:

Heute wundert sich niemand mehr über unsere Wirtschaft,
Was der deutsche Mensch nun bald wieder schafft;
Wir sind überall wieder ganz vorne,
Weil ich ihn ganz doll wieder ansporne;
Ich bin Sekretärin von Beruf, und Du?
Du schaust aus wie eine alberne Kuh;
Hast Deine Perücke nicht sitzen
Und tust unter Deinem Puder im Gesichte schwitzen.
Laßt uns nun ein wenig über unsere Rüstung sprechen,
Oder sollen wir dieses Thema in ein paar Jahren wieder anbrechen;
Dann brechen wir wieder ein neues Kapitel unserer Geschichte an,
Was der deutsche Mensch wieder alles erschaffen kann.
Ganz ohne Rüstung ist es auch nicht behaglich und warm;
Ach, Ihr Lieben, noch zwei Tage warte ich auf meinen Schwarm;
Er führt sich noch spazieren in seinem Soldatenrocke,
Und in seinem Rocke treibt er sein Glied in meine Spalte in der Hocke;
Seinen Nacken ganz kahl geschoren,
Als Metzgermeistersohn hochwohlgeboren,
verliebt in mich bis über beide Ohren,
Warum wir den Krieg überhaupt verloren?
Wir rauschen mit unseren Träumen über die Autobahn,
Und Sonntags fahren wir auf der Spree mit einem alten Kahn,
Und nachmittags natürlich die Sahne,
Unter einer gewaltigen schwarz-rot-goldenen Fahne.
Wir leben in einem Garten Eden,
Beileibe lieben wir nicht jeden;
Wir schaffen uns wieder unseren Jud´,
Und betrinken uns mit Indianerblut;
Der kleine Italiener ist wie dazu erschaffen,
Und auch der Türke gehört zu den Menschenaffen;
Wenn unsere Wirtschaft so richtig losgelassen,
Wir unser Glück mit Gastarbeitern anfassen,
Zu unserem alleinigen Wohl,
Herr Adenauer und Herr Kohl.

Lisbeth: Scheiße!

Waltraud:

Ich widme mich also dem Steine,
Als Trümmerfrau ich nunmehr weine,
Weine über Ruinen und Trümmern,
Warum sollte das Alte verkümmern.
Im Nu erbaut ein neues Gebäude,
Zu seiner und meiner vollen Freude;
Auch ich habe einen Mann,
Gelegentlich und dann und wann;
Auch er spaziert im Rocke,
Und treibt es mit mir in der Hocke,
Ich habe ihn ausersehen,
Das werdet Ihr wohl verstehen.

Peter:

Meine Damen, ich möchte mich Ihnen vorstellen,
Ich bin Unternehmer, können Sie sich dieses vorstellen?
Wir leben in schwierigen Zeiten,
Um Reichtum auszubreiten;
Doch habe ich meine eigenen Gedanken,
Wie Arbeiter in meinem Betrieb bald wanken,
Putzen, arbeiten und produzieren,
Stehend und auf allen Vieren.
Ich nehme vom Arbeitsmarkte,
Wo der Arbeiter seine Arbeitskraft parkte,
Und stelle viele Leute ein,
Gemeinsam und im Verein
Werden wir es wohl schon noch schaffen,
Auch eingestellt die Menschenaffen,
Gastarbeiter immerzu,
Ausgebeutet nun im Nu.
Ein jeder muß Opfer erbringen,
Zum Wohle der Gemeinschaft zu singen,
Zwei Stunden Mehrarbeit zum selben Lohn,
Was macht das schon, was macht das schon?

Lisbeth: Scheiße!

Petra:

Und auch die Damenmieder,
Verkaufen sich gut bald wieder;
Zwei Stunden Mehrarbeit zum selben Lohn,
Was macht das schon, was macht das schon.

Waltraud:

Ein guter Plan, ein starkes Stück,
Wie gern ich mich dann wieder bück;
Dann brauchen wir nicht zu bangen,
Um Glück wieder einzufangen.

Petra:

Zwei Stunden Mehrarbeit zum selben Lohn;
Was macht das schon, was macht das schon?

Peter:

Und auch die Rüstung wieder,
Singt uns bald wieder schöne Lieder;
Milliarden für den Reichtum der Unternehmen,
Es wird keine Nation mehr lähmen.

Lisbeth: Scheiße!

Petra:

Dies ist die Ankurbelung der Konjunktur,
Konsequent verplant und überaus stur,
Das Geld gewissermaßen verschenkt,
Nicht das der Arbeiter daüber Schlechtes denkt.

Peter:

Ich habe so meinen Plan,
Keine leeren Gedanken, keinen Wahn,
Auch von staatlichen Milliarden partizipieren,
Alle, die Rüstungsgüter produzieren,
Und deren Zulieferanten,
Die ihr Glück nicht verkannten;
Ein neues Kapitel in der Geschichte
Und im historischen Lichte
Angeschlagen und dann bald
Ist die Republik vierzig Jahre alt.
Der Staat wird geschröpft ganz legal,
Kanonen aus Eisen und Stahl,
Kanonen und Panzer und was sonst noch,
Jagdbomber und Maschinengewehre und was sonst doch;
Doch dies ist alles nicht wichtig,
Daß das Geld in meiner Tasche verdunstet ist richtig,
Und der Unternehmer dem Politiker die richtigen Worte buchstabiert,
Weil der Politiker dem Unternehmer gerne hofiert.

Lisbeth: Scheiße!

Waltraud:

Herr Unternehmer, Sie sind ein ganzer Mann,
Man sieht, was ein Unternehmer alles machen kann:
Wir haben nur im Sinne die Konjunktur,
Überaus beredt, wir bleiben stur,
Der Staat benötigt seine Kanone,
Dies zu unserem Profit und Ihrem Lohne;
Und zwei Stunden Mehrarbeit zum selben Lohne,
Was macht das schon, was macht das schon?
Es entsteht im neuen Gewande,
Eine neue Republik in unserem Lande.

Lisbeth: Scheiße!

Peter:

Übrigens ist die Ankurbelung der Konjunktur mittels der Rüstungsproduktion kein moderner Gedanke mehr. Wenn wir einige Milliarden Euro in den Bereichen von sozialen Maßnahmen und durch Hartz IV einsparen, können wir einige hunderte Milliarden an marode Banken und Staaten überweisen. Dies ist effektive und staatstragende Wirtschaftspolitik, und gut und richtig,
für mich als Unternehmer sehr wichtig:

Denn es entsteht im neuen Gewande,
Eine neue Republik in unserem Lande.

Glücklich reichen sich die Vier ihre Hände und promenieren weiter durch den Garten Eden, der Sonne entgegen.
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F. Die Sitzung der Philosophen

Philosophen, Freiheitsphilosophen der Jahrhunderte, sind zusammengekommen, um über den neuerlichen Geschichtsverlauf zu diskutieren. Verständlicherweise
haben sie die jüngsten historischen Vorgänge sehr nachdenklich gestimmt, und so mancher von ihnen glaubt sich aufgerufen, eine neue Philosophie zu begründen, seine ehemalige zu überarbeiten und zu reformieren und fortzuentwickeln. Als erstes spricht Karl:

Verehrte Herrschaften, geehrte Philosophen,
In vielen Reimen und versreichen Strophen,
Haben wir den Menschen das Denken gelehrt;
So mancher hat sich bei anderen Philosophen beschwert,
Schien mit unserem Werk wenig zufrieden,
Und sagten und erzählten sich: Wie denn
Soll der Mensch zur Vernunft gelangen,
Wie sollen wir eine vernünftige Zukunft anfangen;
Darum haben wir uns heute hier zusammengefunden,
Um zu legen unsere Finger in des Menschen Wunden,
Um zu diskutieren über unsere althergebrachte Philosophien,
Verstümmeltund verkürzt von so manchen Bürokratien;
Gleichwohl sei daran erinnert,
Daß aus uns Philosophen Weisheit schimmert,
Daß die wissenschaftliche Erkenntnis der Freiheit die Wiege,
Ohne die der Mensch nie und nimmer zur höheren Freiheit aufstiege.
Der Reichtum der Gesellschaften ist die Wiege der entwickelten Natur,
Eine überaus natürliche gesellschaftliche Struktur,
Diese Reichtümer die kapitalistische Produktionsweise beherrschen,
Doch deren Produzenten versorgt mit Märschen
Und mit falschen Ideologien,
Die die Reichen gegen die Produzenten ausspiehen.
Dieser Reichtum erscheint als ungeheuere Warenansammlung heute,
Hiervon betroffen allerdings beileibe nicht alle Leute,
Die einzelne Ware als deren elementare Form
Der gesamten Gesellschaft ihre soziologische Tausch-
wertnorm.
Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware;
Doch würde ich heute den Menschen in ihr Zentrum stellen, bewahre,
Bewahre ihn vor der Herrschaft der Ware.
Der Arbeitsprozeß stellt sich, unabhängig von seiner
geschichtlichen Form, dar als Prozeß zwischen Mensch und Natur;
Heute erkenne ich, daß ich die entscheidenden Elemente
meiner neuen Theorie schon damals einfuhr.
Daß wir damals vom wirklichen Arbeitsprozeß nicht zu abstrahieren vermochten,
Bloß für eine neue Entwicklung der Abhängigkeit von der Natur fochten,
Soweit der Arbeitsprozeß ein gesellschaftlicher gewesen, der Arbeiter aller Funktionen vereinigte schon in der Manufaktur
Des akkumulativen Kapitals natürliche größere Profit-struktur;
Entriß der gesellschaftliche Mehrwert, welcher aus der
Arbeit geflossen
Und zuhauf hat sich Arbeiterschweiß in solcherart Bächen ergossen.

Die historische Ausweitung und Vertiefung des Austausches entwickelt den in der Warennatur schlummernden Gegensatz von Gebrauchswert und Wert,
Dies erkannten weder Danton, Robbesspierre und erst recht nicht Herbert,
Ansonsten sie die Gesetze der Warennatur der französischen Revolution einverleibt hätten,
Doch immerhin befreiten sie die politischen Gefangenen der Bastille von ihren Zellen und Ketten,
Ohne die große Industrie war dies auch nicht zu erkennen,
Solange Landwirtschaft und Handwerk im historisch vorherrschenden Rennen.

Der Gebrauchswert der Ware bestimmt sich im Gebrauch der Sache,
Über diesen Satz halte ich heute noch wache;
Ihr Wert ist den Gesetzen der Zeitökonomie unterworfen,
Die Gesetze der Zeitökonomie menschlich produktiver Arbeit sind von der Ware, und insbesondere ihrem Tauschwerte nicht zu trennen,
Auch diese Aussage wird bald jeder von ihnen erkennen;
Jedenfalls sind die Gesetze der Zeitökonomie die Gesetze unserer individuellen Handlungen schlechthin,
Unserer psychologischen Struktur entsprechend wie unseres freiheitlichen Sinn,
Und darum, meine Herren, rate ich ihnen heute,
Wenn wir auf der ganzen Welt sehr rasch gelangen möchten unter friedliche und freiheitliche Leute
Und also ablassen möchten von unmenschlich gesellschaftlicher Arbeitskraftbeute,
Müssen wir neue Gesetze unserer Zeitökonomien erkennen,
Um recht bald und umgehend in unser Schicksal der absoluten Freiheit zu rennen.

Vladimir:
Werte und verehrte Philosophen, lieber Karl:
Zu meiner Zeit untersuchte ich im Gefängnis die Entwicklungsgesetze des Kapitalismus in unserem weiten Rußland,
Zu jener Zeit stand unser Land noch an feudaler Zarenwand;
Ich hatte vor mir Bezirk für Bezirk und seine vielen
ländlich strukturierten bäuerlichen Produktionszahlen;
Längst noch existierten nicht sozialistische oder bürgerlich demokratische Wahlen,
Und ich errechnete in meinem damalig einfältigen frei-
heitlichen Geiste,
Was der künftige russische Mensch sich an Entwicklung und Freiheit leiste;
Und ich sah in mir den Glanz der Morgenröte der Revolution,
Einer künftigen stolzen Nation,
Wie von Dostojewskij in einer großen Rede vorhergesagt,
Der russische Mensch in seiner Freiheit den gesell-schaftlichen Werdegang überragt.

Karl ergreift erneut das Wort:
Lieber Freund, ich danke dir aus vollem Herzen,
Ich weiß, du möchtest mit menschlicher Hoffnung und freien Willen nicht scherzen;
Ich weiß, wieviel wir dir, Vladimir, zu verdanken haben,
Daß russische Menschen längst nicht mehr am Hunger-tuche darben;
Sondern als sowjetische Menschen neue historische Freiheiten erwarben,
Daß sie nicht mehr im zaristischen Joch als Zug- und Ackerpferde verstarben;
Doch denke ich an schwierige heutige Zeiten,
Wer hat ihnen gesagt, die Menschen zu verleiten;
Mein Wort von der Diktatur des Proletariats falsch zu verstehen,
Freie Gedanken zu knebeln, Hoffnungen zu verwehen,
Belogen, betrogen, Worte verwandelt
Und dabei mit Teufel und Hölle verhandelt.
Doch ach, was sehe ich, hinweg mit dir, du teuflische Drecksnatur,
Du hast sie alle verführt, du unmenschliche Mörder-statur.
Freiheit ist ohne Gulag und ohne KZ ...

Karl hat gerade einen schnauzbärtigen die Türe gewiesen. Betrübt und betroffen verläßt die ange-sprochene Person den Saal der Freiheitsphilosophen der Jahrhunderte. Karl fährt fort:

So müssen wir gelegentlich mit der Peitsche dazwischen-
schlagen,
Daß unsere Peitschenpeiniger es künftig nicht mehr wagen,
Von unseren eigentlichen Aufgaben abzulenken,
Um die Freiheit nicht zuletzt auch dem schwarzen Manne zu schenken.
Die Dikatur des Proletariats aber ist eine Aufgabe gewesen, die an die Geschichte gestellt,
Zu ihr jedoch haben sich Mord und Terror gesellt;
Ihr voraus geht das Ende der Klassengesellschaft,
Kein Wort von Diktatur einer neuen gesellschaftlichen Herrschaft,
Des Menschen über menschliches Los,
Des Menschen über den Menschen bloß.
Das Wort von der Diktatur des Proletariats kommt gänzlich gleich der absoluten Diktatur der Freiheit,
Idee von der absoluten Freiheit des Menschen,
Dies möchte ich mir für künftig und für immer und ewig wünschen.

Karl setzt sich wieder und überläßt Immanuel das Wort:

Ich, meine Herren, heiße Immanuel Kant,
Die Philosophie lebte stets mit dem Rücken zur Wand,
Teils als weise und rüde Wissenschaft,
Aufzuzeigen, was der Mensch an Freiheit schafft;
Ich selber, Zeit meines Lebens, beschäftigte mich mit Räumen und Zeiten
Und wob und übte mein Denken in großzügigen Weltall-weiten,
Der Kritik der reinen Vernunft,
Unter der Menschheit eine nur sehr kleine Zunft;
Und dennoch hatte ich die Natur in ihrer Gänze nicht begriffen,
Und warum? - Weil Herren stets unsere Freiheit angriffen.

Ich also heiße Immanuel Kant,
Stets schaue ich umher im weiten Land,
Und sehe es nicht, ich spüre es wohl,
Es riecht so verderblich nach Alkohol,
Wie es einst die Rothäute umgenietet hat,
Fetisch an Freiheit satt, statt freie Tat;
Ich sage es ganz klipp und klar,
Wie es immer gewesen war:
Mit Absicht tuen sie ihre Staaten runieren,
Um Todesengel in der Welt zu eruieren.
Ist es ihnen selbst und sehr persönlich wiederfahren,
Daß sie frei von allen prunkenen Sachen und herrlich vielen Arbeitswaren;
Sie selbst sich mehrmals um die Erde schälten,
Sie beließen uns im falschen Glauben, daß wir sie noch
wählten;
Mit ihrer Presse und ihren sogenannten freiheitlichen Sendern,
Reisen sie in der Welt herum, in allen Ländern,
Um alle Völker zu verarschen, um den Gedanken der
Freiheit aus der Welt zu vertreiben,
Um sich den Ben, den Ben und den Ben einzuverleiben,
Um ihre Gemüter an dem Tod von hunderttausenden Opfern zu reiben,
Und warum? - Um allein an der Macht, an der Macht zu bleiben.

Wir lassen uns nicht von ihren Katastrophen benebeln,
Mit welchen sie unsere geschundenen Geister knebeln;
Sie arschen und arschen und arschen nur,
Jede leblose, tote und lebende Statur;
Längst hätten wir sie alle retten müssen
Nun werden wir sie alle wachküssen
Müssen, und ob uns dieses gelingen wird?
Ich glaube es kaum, da der Tod in uns weiterstiert.
Ihr laßt euch verarschen, wo es nur geht,
Zieht das Geschwätz ihrer Presse vor, wo ein Sender nur steht;
Um euch selber in das Grabmahl zu schicken,
Ihr getraut euch nicht einmal, euch umzublicken,
Lassen sie euch wie Hampelmänner durch die Geschichte
gleiten,
Um euch statt zur Freiheit, bloß zur Katastrophe zu verleiten,
Derer sie sehr viele in ihre Nachrichten setzen,
Und warum? - Um zu hetzen, meine Herren, um zu hetzen!
Mit einem lieblichen "Hallo" auf den Lippen, auf dem Rücken,
Reißen sie hunderttausende Menschen in tausend Stücken.
Und dies macht Spaß!?
Unterlasse es, Mensch, unterlaß!
Karl, hast du diese Brut hochgezogen,
Ich glaube nicht: Du hast den Arbeiter nicht belogen;
Sie alle sind wie unter einem Joche,
Und schauen und sehen zu Woche für Woche,
Wie es alle und uns Philosphen verarscht,
Ja, meine Herren, bloß noch verarscht.

Nach einem anhaltenden Beifall und vielen nachdenklichen Gesichtern bei den Freiheitsphilosphen
der Jahrhunderte erhob sich Georg Wilhelm Friedrich, um folgende kurze Worte zu sprechen:

"Das reine Selbsterkennen, im absoluten Anderssein, meine Herren, dieser Äther als solcher, ist der Grund und Boden der Wissenschaft, oder des Wissens im allge-
einen. Die Wissenschaft verlangt von ihrer Seite das Selbstbewußtsein. Umgekehrt hat das Individuum das Recht zu fordern, daß die Wissenschaft ihm die Leiter wenigstens zu diesem Standpunkt reiche, ihn in ihm
denselben aufzuzeigen. Sein Recht gründet sich auf seine absolute Selbständigkeit, die es in jeder Gestalt seines Wissens zu besitzen weiß."

So also sprach und schrieb ich einstmals,
Mal laut und vehement,
Mal trefflich melodiös,
Ganz sanft und wieder leis,
Über die Aufgaben und das Recht der Wissenschaft in ihrer natürlichen historischen Selbstbedeutung;
Nichts von alledem, was heute vorhanden, dennoch lauschten wir dem Äther
Der Zeiten: dem Heute, dem Gestern, dem Morgen, dem Später,
Der zeitlichen Erdumlaufbahnen;
Dennoch konnten wir sagen: wir ahnen
Die Bahnen unserer Zukunft voraus,
Wissen können wir aber erst heute, was gestern gewesen - Für mich keinen Applaus!?
Doch benötigen wir eine selbständige Wissenschaft,
Die gebiert, was morgen gelten soll ...

Als letzter Redner der Freiheitsphilosophen erhob sich Jean-Paul, der Jüngste unter ihnen, und sprach folgende Worte:

"Dem Denken der Gegenwart ist ein beträchtlicher Schritt nach vorwärts gelungen, indem es das Seiende auf die Reihe derjenigen Erscheinigungen zurückführte,
die von ihm Kunde geben. Man beabsichtigt, dadurch eine gewisse Zahl von Dualismen zu beseitigen, die der Philosophie Verlegenheit bereiteten, um sie durch das monistisch aufgefaßte Phänomen zu ersetzen."

Nun, meine Herren, laßt uns die Gläser erheben auf gutes Gelingen,
Unsere Körper nach überbaulichem und Freiheits-philosophien auszuwringen;
Dies ist um so wichtiger, da längst nicht alle Probleme gelöst,
Weil die Philosophie heute im Tiefschlaf vor sich hindöst;
Weil nach wie vor der Pfaffe spricht von Sünde,
Um einzufahren seine reichlichen Pfründe,
Und wegen der Sünde seine moralische Macht begründe,
Begründet die Pfründe auf Sünde im Süden,
Und im Norden und im Westen und im Osten;
Wir Freiheitsphilosophen werden nicht rasten, nicht rosten;
Die Herren dieser Welt lassen Millionen verhungern,
Weil sie so gerne in ihren Schlössern herumlungern.
Wir werden die Welt einzig der Vernunft aufteilen,
Und immerzu auf dem Richterstuhl stehen und weilen.
Denn die Wissenschaft ist die Basis der menschlichen Erkenntnis fürwahr,
Und der Erkenntnis der Freiheit, wie es immer war.

Zum Abschluß der Sitzung der Freiheitsphilosophen der Jahrhunderte singt Heinrich, der Barde:

Im düsteren Auge keine Träne,
Wir schauen das Unrecht, das ich erwähne.
Wir lassen uns nicht von den Herren verkohlen,
Die Ungerechtigkeiten soll der Satan in sein Reich heimholen.

Wir kämpfen und kämpfen!

Auch Deutschland ist wieder eine eine Nation,
Im Osten der Sozialisten, eine friedliche Revolution;
Wir alle haben gewartet und an sie geglaubt,
Niemand hat uns unserer Hoffnung beraubt.

Denn wir kämpfen und kämpfen!

Wir werden aufmerksam die Vorgänge besehen,
Auf welcher Verfassung wir eigentlich stehen,
Und jeden zu unrecht gefällten Baum bewachen,
So manche schieben sich ganze Wälder in den Rachen.

Doch wir kämpfen und kämpfen!

Wir werden nicht weichen, wir werden nicht ruhen,
Wir werden leeren ihre Goldschatztruhen,
Und den Reichtum der Welt auf alle verteilen,
Um fortan im Garten Eden zu verweilen.

Denn wir kämpfen und kämpfen!

Wir achten sehr auf des Herren Beuten,
Während seinem Beuten die Glocken läuten;
Der Herr und der Pfaffe in einem Verein,
Fährt allein in Gottes Himmel ein.

Doch wir kämpfen und kämpfen!

Wir sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne,
Warum ich auch dies hier noch mal erwähne,
Weil die Arbeit unser einziges Sein,
Aufbewahrt in einem gesellschaftlich-menschlichen Schrein,

Wir kämpfen und kämpfen!

Wir schauen die Bilder in eueren Sendern,
Ausgestrahlt in allen Herren Ländern;
Wir sind empört und daher fluchen,
Wie sehr wir nach Vergrabenen schauen und suchen.

Doch wir kämpfen und kämpfen!

Im düstern Auge keine Träne,
Warum auch dies noch mal erwähne,
Wir werden die Allmacht bald schon stürzen,
Und diesen Sturz mit Zimt und Muskat bald würzen.

Denn wir kämpfen und kämpfen!
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