Gedichte über Krieg - Seite 94

Ein altes Büchlein, lange Zeit vergessen,
vergilbte Seiten - abgenutzter Rand.
Ein schöner Sammelband Gedichte, dessen
Bedeutung ich durch Mutters Eintrag fand.

Für Dich mein Liebster,
in Liebe!
Zu Deinem 21. Geburttstag.
Gott beschütze Dich!
Kriegsjahr 1941, am 28. Mai
Deine Charlotte.

Das Buch hat Vater an die Front begleitet.
Sein Geist stand ihm auch immer schützend bei.
Es hat Erleichterung ihm stets bereitet.
Wie nah der Tod auch manches mal gewesen sei.

Ich hielt das liebe Büchlein in den Händen,
Erwartung, die spontan jetzt aus mir bricht,
beginn die Seiten aufmerksam zu wenden,
Vergissmeinnicht markierte ein Gedicht.

"Du bist min, ich bin din,
des solt du gewis sin.
du bist beslozzen
in minem herzen;
verlorn is das sluzzelin:
du muost ouch immer darinne sin." *

Doch eines Tages kam die schlimme Nachricht:
"Für Führer, Volk und Vaterland gefallen!"
Die Schmerzensschreie löschten uns das Sonnelicht
und kaltes ödes Land ließ sie verhallen.

Im Nachlass kam das Buch per Feldpost dann zurück.
Mein Mütterlein hat dieses Büchlein sehr geschätzt,
als Zeugnis großer Liebe und erhofftem Glück.
Mit ihren Tränen wurde manches Blatt benetzt.

*) Der Autor ist unbekannt. Das Gedicht entstammt
einer Tegernseer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert.

"Für unseren viel geliebten, einzigen Sohn, der mit
19 Jahren in der Schlacht am Isonzo von unserem Herrgott für den Heldentod auserwählt wurde"
1917 im Oktober

* * *
Der junge Soldat war nur Kanonenfutter.
* * *

Liebe Mutter weine nicht!
Es geht um Freiheit, Ruhm und Ehre.
Der Kriegsdienst wird für mich zur Pflicht.
Jetzt sprechen die Gewehre.
Tatata-ram-tatam, tatata-ram-tatam, tatam,tatam,tatam.

Scharfe Reden, Marschmusik.
Forsche Kommandos - nichts hält uns mehr jetzt zurück.
Mit Lachen, Rufen, Winken ging es von zu Hause fort.
Junge Soldaten an die Front im Militärtransport.
Tam-tam-taram,tam-tam-taram,tamtam,tamtam,tamtam.

Im Gefecht - Geschütze krachen.
Splitterregen,Staub und Dreck.
Vergangen ist nun längst das Lachen.
Gesichter bleich vor Schreck.
Tatah, tatah,tatam.

Mit Geheul flog die Granate an,
zerbarst an jenem Ort.
Der junge Soldat, der starb daran.
"Mutter . . ." war sein letztes Wort.
Tah - - - tam.

Ich sah sie
dort stehen
allein
einsam
so zerbrechlich
inmitten all dieser
TrümmerSteine

Soll ich sie
mit mir nehmen
aufsammeln
einsammeln
aus dem staub
in dem sie stand
fast verbrannt

Es hat mir
das herz zerrissen
ich musste fort
ohne sie
es gibt so viele
wie sie
zu viele

Tränen im staub
stumm und verzweifelt
geweint
ohne zukunft
im durst nach
hoffnung
ertränkt

Das gewissen
der welt
wo blickt es hin
in der asche
verrußt jedes wort
LippenBekenntnisse
unnütz verhallen sie

Sie steht
noch immer
dort
im staub
der verbrannten
HeimatErde.

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(24.09.2021)

Dringt noch so laut der Lärm
Der groben Welt ans zarte Ohr;
Im stillen Herz verbleibe gern,
Es führt zur Liebe wie ein Tor!

Brüllt noch so laut der Krieg;
Ja, schreit er voller Hass in dich!
Im Herzen thront der Liebe Sieg;
Gewonnen längst für dich und mich!

Geschlagen längst die letzte Schlacht
Mit Waffen nicht; mit Herzen wohl!
Kein wahres Herz im Kriege macht,
Was ihm befohlen, dass es soll!

Schallt noch so laut der Lärm
Lärmender Lügen in dein Ohr;
Gelebt im stillen Herzen gern,
Erhebt die Stille dich empor:

Hinan die Dächer dieser Welt
Wie Wolken hoch; zum sich'ren Ort,
Bis es dir wie von selbst einfällt:
Die ganze Zeit warst du schon dort!