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Gedichte über Hunde - Seite 35


Nichts sehen, aber verstehen

Seht ihr dort den Jungen stehen,
er ist gehandicapt, er kann nichts sehen.
Angeblich als der Liebe Kind,
er sich auf der Erde befind‘.
Doch seine Eltern haschten wohl
und tranken sehr viel Alkohol.

Die große Menge dieser Chemie
veränderte des Ungeborenen Biologie.
Bereits bei der Geburt stellte man fest,
das Augenlicht ist nur ein Rest.
Er wuchs auf bei den Verwandten,
die ihn ihren „Liebling „ nannten.

Er spürte Wärme und Menschlichkeit,
auch unsere Hilfsbereitschaft zu jeder Zeit.
Was andere mit oder ohne Brille sah’n.
konnte er nur fühlen, hören und erahn‘.
Er ging stets die gleichen Strecken,
mit seinem Freund dem weißen Stecken.

Damit fand er Hindernisse und Straßenkanten,
weshalb wir ihn auch „Gullylatscher“ nannten.
Das war aber nicht böse gemeint,
im Gegenteil, es hat uns vereint.
Er zeigte uns wie im Dunkeln man
sich trotzdem orientieren kann.

Bei der Begrüßung seine Finger hasten
und sein Gegenüber leicht abtasten.
Da braucht man nicht zu erschrecken,
Nase und Lippen den Rest entdecken.
Beim Begrüßungskuss hat er entdeckt,
wonach jeder Einzelne schmeckt.

Und er lehrte uns zu hören,
wenn auch laute Geräusche stören.
Vieles haben wir nicht einmal gesehen,
doch er ließ den Kopf uns danach drehen.
Ob die Sonne wärmt, der Wind uns kühlt,
er vorher schon das Wetter fühlt.

Er arbeitete lange Zeit als Telefonist
mit Technik, die sehr selten ist.
Ein Glühlampenschrank war umgebaut,
bei Anruf nur ein Stiftchen schaut.
Modernste Elektronik jetzt auftaucht,
doch niemand mehr Telefonisten braucht.

Sehe ich nun wie er tastend stakt,
hake ich ihn unter ganz ungefragt.
So kann er auf Erholung machen
und wir quatschen über neuste Sachen.
Als Dritten in unserem langjährigen Bund
wünscht er sich nur noch einen Hund.

07.02.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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Der nächtliche Elfenreigen

Als Jüngling wollte ich einst ganz sicher geh‘n,
im Mondenschein ein nacktes Mädchen seh’n.
Am Stadtrand war gerade Bauernmarkt,
drum habe ich mein Fahrrad dort geparkt.
Hier gab es bestimmt das richtige Mädchen,
nicht zu dick oder dünn wie ein Fädchen.

Dabei kam ich auch an der Stelle vorbei,
wo vorhin erscholl ein lauter Schrei.
Das Pflaster um den Gemüse/Obsttisch
war voll Blut, sehr viel und auch frisch.
Da hatte ein Verkäufer oder Kunde
aber eine stark blutende Wunde.

Meine Neugierde war wie immer geweckt
und ich hab den Verletzten auch entdeckt.
Am Brunnen saß ein Mädchen und hat geflucht,
dabei war sie der Typ, den ich heute gesucht.
Und ein Autofahrer hatte den Unfall gesehen
und blieb mit Auto samt Verbandskasten stehen.

Zu dritt versorgten wir die Wunde
und ich erfuhr, sie war nur Kunde.
Die Marktfrau, ein Vampir von Weib,
nutzte immer ruhige freie Zeit,
nahm das große Küchenmesser
und halbierte die Kohlköpfe für kleine Esser.

Am Nachbarstand lag stets ein Hund,
der schlief am Tag so manche Stund.
Vielleicht hatte er gerade ausgepennt,
denn er entdeckte einen Konkurrent.
Er zerrte an der Hundeleine,
die geschlungen war um des Tisches Beine.

Der Tisch wackelte bis er rutschte,
das Messer aus der Hand flutschte,
fiel vom Tisch und stach bei lautem Schrei’n
der Kundin direkt und tief ins linke Bein.
Nun saß das Mädel auf des Brunnen Rand
und wusch mit Wasser Blut von der Hand.

Ich hatte Zeit und setzte mich daneben,
wollte notfalls Unterstützung geben.
Wir redeten über alle möglichen Themen
und brauchten uns dessen nicht zu schämen.
Sie war auch eine redselige kleine Kesse
und gab mir zum Abschied ihre Adresse.


Und eine Woche später, als fast alles geheilt,
sind wir beide zur Lichtung mit der Quelle geeilt.
Dort zeigte sie mir, dass trotz Verband,
sie fest auf ihren beiden Beinen stand.
Sie zeigte auch, was zu einer Elfe gehört
und ich gebe zu, es hat mich nicht gestört.

20.02.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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