Gedichte über den Anfang - Seite 185

Alles und nichts

Nichts ist Dir weggenommen,
Du hast den Lebenshauch bekommen,
Und mit dem ersten Atemzug
Hast Du für die Zukunft genug.

Da muss man ja nicht alles haben,
Die Gier lebe stets bei den Raben:
Wer nicht sein Leben nimmt in Blick,
Der hat auf Dauer auch kein Glück.

Von Anfang an ist Dir gegeben
Die Fähigkeit, zur Welt zu streben.
So geh' auch mutig da hinein,
Es kann niemals Dein Schaden sein.


©Hans Hartmut Karg
2021

*

Zwei Augenpaare wenden sich einander zu.
Ein kleines Lächeln gilt dem Du.
Die entscheidenden ersten Sekunden
für gut befunden.

Gespräch auf neutraler Ebene zum Testen:
„Mit Deutschland steht es nicht zum besten!“
Ganz behutsames Anklingen
von persönlichen Dingen.

Den Ausstieg anvisiert,
ehe der Einstieg passiert,
sich mit einem Schutzschild umgeben,
das ist modernes Leben.

Die eigene Verletzlichkeit nicht zeigen,
sich nicht zu weit aus dem Fenster neigen.
Unbekanntes Terrain betreten? Auf Neues Lust?
Vorsicht geboten! Angst vor Frust.

Beidseitig darauf bedacht unverbindlich zu bleiben,
sich nicht zu eingehend zu beschreiben.
Zweifel am eigenen Wollen.
Ja und Nein. Möchten wir sollen?

Worauf wollen wir warten,
auf den paradiesischen Garten?
Täte es nicht auch ein kleiner Spaziergang
Im Sonnenschein am Fluss entlang?

Verstepptes Netz, Vergessenheit,
das Netzwerk selbst, Bescheidenheit.
Vertrocknet gar, fast unsichtbar,
doch dieser Erde bleibt es wahr.

Auf dieser Erde lebt ein Wesen,
ohne dessen Basis gäb's kein Wann.
Für unter Wasser würd's nichts geben,
was die Wellen an die Küsten schwang.

Jenes Wesen schaut nun an,
seit irgendetwas schauen kann,
wie's wächst und wächst seit Anbeginn
und Grenzen sprengt im wahrsten Sinn.

Ab und an ein Mensch erkennt,
das er mit ihm den Mensch erdacht.
Mit ihm das große Ganze kennt
und in Demut über alles wacht.

Jacob Seywald XIII

Du erinnerst dich an Tage
Ich erinnere mich an Nächte
Getroffen haben wir uns dazwischen

Du erinnerst dich an Gefühle
Ich erinnere mich an Farben
Gelebt haben wir in beiden

Du erinnerst dich an Kälte
Ich erinnere mich an Wärme
Geliebt haben wir uns dazwischen

Du erinnerst dich an Daten
Ich erinnere mich an Zeit
Geschrieben haben wir Geschichte

Du erinnerst dich an den Anfang
Ich erinnere mich an das Ende
Nächstes Mal tauschen wir die Rollen


© René Oberholzer, 2021