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Gedichte über Weisheit - Seite 37


Die Begegnung

Die Begegnung


Ich ging die vielen Straßen lang...
unendlich müde war mein Gang
und schwer vom vielen Wein.
Was soll's: ich war allein.

Ich fror entsetzlich, und ich rief:
> Zum Teufel mit dem Seelentief! <
Dann fiel ich hin, fast um ein Haar
betrunken, weil ich einsam war.

Da kam ein alter Mann vorbei.
Mir war der Alte einerlei -
doch er stützte mich beim Gehen.
Ich konnte sein Gesicht nicht sehen
und lallte: > Mich will keiner hier.
Bin unbeliebt - liegt wohl an mir.
Freunde hab ich längst nicht mehr
und alles ist so sinnlos, leer..! <

Der Alte sah mir ins Gesicht.
Da streifte ihn ein Straßenlicht...
Wie furchtbar war er doch entstellt!
Wie jemand, nicht von dieser Welt.

Schreien wollt' ich vor Entsetzen -
doch das würde ihn verletzen.
Eins seiner Augen stand heraus,
die Nase sah zerschnitten aus,
der Mund hing schief an seinem Kinn:
Ein Monster!, kam mir in den Sinn.

Sein fauler Atem streifte mich
und leiser Ekel regte sich,
als er noch etwas näher kam -
verlegen und auch voller Scham.

Da sprach es traurig aus der Fratze:
> Ich bin wie eine nasse Katze,
die sich zumeist verborgen hält
vor dem Spott in heller Welt.
Ich mag die Nacht, die stille Zeit,
wenn niemand 'Ungeheuer'! schreit.
Frühmorgens schleiche ich nach Haus
und heul mir oft die Augen aus. <

Wir stapften noch ein kleines Stück.
Er winkte mir und rief: > Viel Glück! <
Ich sah ihm nach, wie er entschwand
im Schatten einer Häuserwand.

Noch sehr viel später, in Gedanken
sah ich jenen Alten schwanken,
wie er da durch's Dunkel schleicht
und mir seine Hilfe reicht.

Und ich fand, er hatte recht
als er sagte: > Na, so schlecht
geht es dir doch wirklich nicht:
auch wenn dein Mund ganz anders spricht. <



(c) Ralph Bruse
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Vertrauensvolle Erziehung (Eine Geschichte)

Ein Elternpaar teilte einer alten Freundin deren Sorgen mit.
„Wir machen uns große Sorgen um unsere Tochter. Die Freunde, mit denen sie sich herumtreibt die gefallen uns gar nicht. Wir befürchten, dass sie in schlechte Gesellschaft gerät, die sie dann negativ beeinflussen könnte.“

„Kann es sein, dass ihr eure Tochter zu sehr eingeengt habt?“ fragte die Freundin.

Die Eltern reagierten empört. Anstatt, wie erwartet, ihnen zuzustimmen oder sie zu bemitleiden für ihr ungehorsames Kind, stellte sie deren Erziehung in Frage. „Unsere Tochter hat alles bekommen was sie brauchte, sie musste sich um nichts kümmern, wir haben alles für sie getan.“

„Vielleicht war es genau das.“ Sagte die Freundin. „Ihr habt für sie Hindernisse aus dem Weg geräumt aber ihr nicht gezeigt, wie sie diese Hindernisse, selbständig überwinden kann, ihr habt Gefahren aufgezeigt aber keine Möglichkeiten, ihr habt sie zurückgehalten und nicht begleitet. So konnte sie kein Selbstwertgefühl entwickeln um selber etwas zu erreichen. Ihr habt alles für sie getan und ihr nicht zugetraut, dass sie selber etwas erreichen kann. Ihr glaubt, dass sie ohne Euch verloren ist.
Natürlich war das nicht böse von euch gemeint, ihr wolltet alles perfekt für sie machen, so dass ihr euer Vertrauen, dass sie wirklich etwas, aus eigener Kraft, erreichen kann verloren habt.

Ich denke, sie fürchtet sich davor eigene Fehler zu machen. Aus Angst euch zu enttäuschen oder zu erzürnen. Wodurch sie möglicherweise auch vor euch verschließen wird und das Vertrauen, in euch, verloren hat, dass ihr für sie da sein werdet, wenn sie einen Fehler gemacht hat oder nicht so funktioniert wie ihr es euch für sie geplant habt.“

„Nein, das ist natürlich nicht so.“ widersprachen die Eltern „Wir haben unsere Tochter zu einer selbständigen und selbstbewussten jungen Frau erzogen. Wir stehen ihr immer mit Rat und Tat zur Seite, wenn sie es wünscht. Aber auch wenn sie sich ausprobieren möchte dann stärken wir ihr den Rücken. Sie kann immer zu uns kommen auch wenn wir nicht einer Meinung sind.“

Aber wenn es tatsächlich so ist“ erwiderte die Freundin „Warum zweifelt ihr so sehr an eurer Erziehung, dass ihr glaubt, ihr habt sie zu einer Person erzogen, die sich von vermeintlich schlechten Menschen beeinflussen lässt? Warum schenkt ihr eurer Tochter kein Vertrauen und glaubt, dass sie nicht stark genug ist um für die Anderen, vielleicht ein positiver Einfluss zu sein?“

Das brachte die Eltern zum Nachdenken. Sie beschlossen mit ihrer Tochter zu reden und ihr zu sagen, dass sie immer für sie da sein werden, egal was passiert. Vielleicht hatten sie von sich und ihrem Verhalten ein anderes Bild als das was ihre Tochter wahrgenommen hat.
Vielleicht war ihre Tochter wirklich stärker und selbstbewusster als sie es ihr zugetraut haben.

© Michael Jörchel
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