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Gedichte über den Tod - Seite 81


Waffen gegen sich selbst

Ich kennen Leute die ritzen sich alles mögliche in die Haut
Weil sie denken sie haben sich das Leben verbaut
Und wenn sie sagen: ”Ich mache das nie wieder”
Dann weiß ich die Person lügt schon wieder

Lieber im dunkeln Zimmer sein und nie wieder raus gehen
Das ist besser so, denn im Dunkeln kann man die Schnitte nicht sehen
Ich weiß nicht wie ich helfen kann, du wirst spätestens morgen wieder bluten
Anfangs ist es nicht viel, doch mit der Zeit sind es ganze Fluten

Ich weiß ich kann deine Schmerzen nicht lindern
Ich bin mir nicht sicher, kann ich es überhaupt verhindern?
Einmal bei Wahrheit oder Pflicht sagtest du es sollte schnell gehen, vielleicht mit Gewehr
Ich war bei dir und habe alles durchsucht, zum Glück war auch der Wandschrank leer

Ich hab dir versprochen irgendwann gehen wir ans Meer
Daraus wird wohl nichts, denn ich kann einfach nicht mehr
Du bereitest mir erneut eine schlaflose Nacht
Weil ich nicht weiß wann, wo, wie und ob du es überhaupt machst

Ich wünschte du könntest einfach durchatmen und ruhig bleiben
Dann könnten wir den Pfad in die Zukunft neu schreiben
Hoffnung sehen wenn die Sonne morgens aufgeht
Ich würde bei dir bleiben, damit du auch die Nacht durchstehst

Also lass uns Richtung Hoffnung laufen und zwar jeden Morgen
So vergehen langsam deine Sorgen
Und ich kann bis du wieder alleine Leben kannst nicht aufhören, nicht ruhen
Den nach all der Zeit die wir uns kennen weiß ich du würdest dasselbe für mich tun

Ich würde noch viel mehr tun, bitte weiß das zu schätzen
Währenddessen werden wir uns an unseren Händen halten, dann kannst du dich nicht selbst verletzten
Ich weiß dass man manchmal allein im Dunkeln das Licht nicht finden kann
Aber das bedeutet nicht es fängt nicht bald der nächste Morgen an

Also bitte richte deinen Hass nicht gegen dich
Nimm irgendetwas anderes oder nimm zur Not auch mich
Ich will morgen noch mit dir die Sonne aufgehen sehen
Denn mit den ersten Sonnenstrahlen wird die Angst und das Leiden aus der Nacht vergehen
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Welche Kindheit

Sie werden wohl längst in Vergessenheit geraten sein, diejenigen, die in Angst getauft, die von Geburt an Betrogenen, augenscheinlich auch Erdenkinder wie wir. Lebenslänglich aber blieben ihre zarten Hände heimatlos und unberührt. Beinahe überlebten sie das kaltherzige Echo geschwärzter Jahre. Sie erkennen sehr wohl die Dunkelziffer der kleingeredeten Alltagstode, den beißenden Rauch aus Spott und Häme des schmerzfordernden Teufelskreises, vor denen sich unsere Frohsinnsaugen nur allzugern verschließen möchten.

Im Vernichtungslager, hinter vergitterten Silhouetten gestaucht - statt Ballspiele und Lebenlust - empfanden sie blanke Wut auf das Leben, ihr Schicksal das einherging mit dem rachelüstigen Herzschlag der bezeugenden Blutengel. Sie warfen stattdessen die gebläuten Nägel des Dornenkönigs millionenfach an die gotteslästernde Lagerwand. Sie hatten die klägliche Einbahnstrasse unter strenger Bewachung in falscher Richtung verlassen müssen - kein Exodus sondern Holocaust - am Herz vorbei zur Sickergrube. Sie waren Kinder wie du und ich!

Der Judasstern stürzte damals sang- und klanglos von ihrem geliebten Himmel ins vergiftete Schattenmeer, überall begegnete man ihnen mit Härte und Kälte. Im Ghetto schleppten sich sinnlos ihre klagende Schritte. Zu Tode geängstigt - verdammte Jünglinge und Jungfrauen - von Stacheldraht und Stahlhelm gefangen. Sie wussten längst um die unerbittlich klaffende Klippe, den hässlichen Abgrund. Sie kannten diesen teuflischen Plan, der sie ins Gas führen sollte. Deportierte Blutwege - Zug um Zug - die aus ihren zarten Kinderadern verzweifelt um Hilfe schrien. Niemand konnte oder wollte sie retten. Samen und Keim, Stammbäume im Mörderstaub einfach zu Tode erstickt, der Kindeskinder beraubt, vernichtet für alle Zeiten. Was blieb sind heute Wolkenberge, Trümmermeere, Tränengassen und Atrappen aus Sternschnuppen.

Das entblätterte Traumbild verwandelt, vom Spiegel- zum Schreckensbild - die Tragik ihrer Ahnen wiederholte sich, doch dieses Mal millionfach brutaler! Hasserfüllt warf man sie blindlings in die Sehnsuchtslabyrinthe, entledigte sich ihrer in Massengräbern - jene Gräber ohne Namen. Ermordet, zertreten und ihre Asche noch nicht mal in die Winde verstreut. Weit entfernt liegen sie noch heute von jedweder Heimat, zwischen Schutzpatron, Sandkasten und Schneckenhäuser - in den schweigenden Steinbrüchen da selbst die Ewigkeit einen Platz gar ungern finden möchte - im Tal der gesammelten Leere. Auf ihren Gedenktafeln steht: "Zerrissene Seelen, arm wie Flughunde, ihres Flügelschlags beraubt!"

Nichts - aber auch rein gar nichts kann je diese Lücken füllen, weder die unentwegte Liebe der Göttinnen der Milde, noch die vielbesungene Heilkraft der Natur, noch der Trost eines Wortes, der aufrichtig gemeinten Vergebungsangebote.

Aber wehe dem, der die Blumen der heiligen Kindheit vom Grabe stiehlt!

© Marcel Strömer
(Magdeburg, den 28.04.2018)


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