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Gedichte über das Schicksal - Seite 160


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Glaubenskrieg

Die Letzten werden die Ersten sein. Im Sturmlauf der Gewehre, der steigenden Anzahl der geschleuderten Gebete verwandelt sich der verklagte Nachthimmel zur Kraterlandschaft einer erwachten Wüstenschlucht, so führt Glaubenseifer das geschundene Herzblut noch leichter direkt ins ausgetretene Mienenfeld der Bittersee. Qualvoll hausen die graumelierten Götter am oberen Ende der wendigen Jakobsstufen, stöhnend und ächzend, springen sie trotz Triumphgeheul, das die Mondpriesterin erhebt, auf eigene Entscheidung in die verwegene Todeswelle, in die Sturzflut, ins Unheil der reißenden Feuersee. Zu groß die Tempel, zu schwer das Tragende, die Liebeslast fest ans Gängelband gefesselt, werfen sie die vertrockneten Abendsterne achtlos auf den kilometerhohen Aschenhaufen der besiegten Seelenfänger. Nun aber ziehen Heilige, die einstigen Hoffnungsträger, blass-schimmernd, wie Millionen untergehende Sonnen mit brüchigem Augenlicht, durch und durch verwirrt, getäuscht dem Traum aus Verrat und dunkler Vorahnung, am bitteren Segen- und Heilsversprechen gedemütigt, irregeführt und geschunden durch irdische Zwänge und Verhaftungen, jetzt kreisen sie um das einsam-verlassene Wolkenfeld der gepriesenen Sehnsüchte auf den versprochenen Garten Eden. Sie kriechen lautlos, aber fordernd wie hungrige Würmer statt Wölfe, vorbei am Schlagen und Klopfen der himmlischen Mutterbrust, die endgültig verweigernd verkündet und schwört, dass sie sich niemals wieder mehr die Muttermilch aus ihrer Brust und Lenden saugen ließe. Das Ziel vor Augen ausgestanzt – die Unglücksseligen fallen ins Uferlose, wie tanzende Motten ins quellende Licht, ihre gepriesenen Namen und die Namen ihrer heiligen Städte stürzen mit. Sie atmen nie wieder, auch nicht wenn wieder die Nacht beginnt, die am Morgen gewöhnlich mit Hoffnungsschrei und unter Jubel Lebendiges gebiert.


© Marcel Strömer
(Magdeburg, den 03.09.2016)

Alle Rechte vorbehalten, besonders das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung, sowie Übersetzung. Kein Teil des Textes darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder verarbeitet werden


Mein Schicksal

ich werde in ein tiefes Loch fallen,
als Lichtblitz, der in unbeschränkter Zeit,
weit ausgedehnt,
bis über die Grenze der Unendlichkeit -
gründlich allem enteilt.
Als finaler Abschluss der Wunderwerke,
auf die von mir gestellten Fragen an das Leben
und die erhaltenen Antworten,
geschuldet den Kräften,
folgend den Bestimmungen,
bestehend aus Horizont und Ereignis.
Alles was ich bisher war und empfunden habe,
und alles was anscheinend zu mir gehörte,
das alles soll verbrennen,
auch der Blutzoll für Triumpf und Niederlage.
Ich werde erst wieder in einer anderen Realität
mit neuem Traum erwachen,
dann aber mit entwaffnendem Blick,
aus hundert schwarzen Augen sehend,
unbeschadet dem Vergänglichen,
jeden Schmerz hinter mir lassend,
belebt mit Lichtstrahlung auf alle Sonnen richtend,
die das Leben aus einer anderen Sicht aufwartet,
die aus dem „irgendwie“ ein „bedeutend“,
aus dem „irgendwo“ ein „Zuhause“
und aus dem „irgendwann“ ein „Jetzt“ formt,
die ihren wahren Wesenssinn aus dem Nichts erfindet.
Erneuerte Liebeskraft - die einst so stark, so enorm verzehrend,
mit Schärfe, Helligkeit und Brennweite von Flammendem,
wie das aus den Himmeln der vergangenen Sternenvölker,
was sich vor zig Milliarden Nächte aussandte,
unendlich und unsterblich wähnend,
den Weg zum Leben bahnte –
die Suche nach Glück über die Liebe zu sich selbst,
jetzt aber umgekehrt.



© Marcel Strömer
(Magdeburg, den 28.08.2016)

Alle Rechte vorbehalten, besonders das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung, sowie Übersetzung. Kein Teil des Textes darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder verarbeitet werden
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