Gedichte über Krankheit - Seite 60

Psychologievoraussetzung

©Hans Hartmut Karg
2018

„Mutteraufmerksamkeit“ hieß sie,
Als Pestalozzi Schulen schuf:
Das Winkelschaffen wollt' er nie,
Aufmerksamkeit bekam den Ruf.

Dem Menschen gilt das Interesse,
Zu zeigen, was er uns denn wert.
Die Seele ist kein Markt, nicht Messe,
Wenn ihre Not sie schlimm beschwert.

Doch wo Helfer selbst deviant,
Krankhaft und schwer ehrgeizleitend,
Wird der Kranke zum Unterpfand –
Niemand, der dort noch mitleidend!

Der Psychologe braucht Verstand,
Muss selbst gesund sein beim Verweilen,
Will er im Übertragungsland
Die kranke Seele wirklich heilen.

*

Es zieht in allen Ecken,
wenn ich tue mich strecken,
Ein Gefühl des Zerreißen,
Man muss sich nur die Zähne Zusammen beißen.

Alles Jammern nichts bringt,
Mitleid mir auch nur stinkt,
Ich trage den Kopf noch nicht unterm Arm,
Ich bin nur etwas lahm.

Bei Wetterwechsel hab ich es erlebt,
Es in den Gelenken bebt,
Es drückt und zieht wie Muskelkater,
allerdings viel viel stärker.

Lege ich mich zur ruh,
kommt er noch Stärker in Nu,
bleibe ich in meiner Bewegung drin,
Der Schmerz Gedanke entrinnt.

Ich bin immer zufrieden nicht still zu sitzen,
Damit der Schmerz nicht kommt in alle Ritzen,
helfen tun Wärme und Arbeit,
Im Notfall liegen Medikamente bereit.

Ich lasse mich durch mein Weichteilrheuma nicht unterkriegen,
noch muss ich nicht auf allen vieren kriechen,
Schmerzen zeigen mir das ich noch lebe,
auch wenn verklebt mein ganzes Gewebe.

Mein Gedanke ist "Schlimmer geht immer",
genauso wie dumm und dümmer.
Man muss die Schmerzfreie Phase intensiv ausnutzen,
Und über das man erreichen kann einfach nur stutzen.

Biopolare Störung

Das Leben ist eine Achterbahnfahrt
Gefühle im Extremen schwanken
Manie mit Depression gepaart
unaufhörlich drehn Gedanken

Sie sind oft überangepasst
bemüht es jedem recht zu machen
Tage ohne Ruh und Rast
schrill und künstlich klingt ihr Lachen

Verworren ist das Krankheitsbild
Wahrnehmung stark eingeschränkt
da man nicht krank sich dabei fühlt
Betroffene sind schnell gekränkt

Mal ist die Seele wir erstarrt
wertlos, traurig und auch leer
und im Rückzug dann verharrt
denn auch Denken fällt nun schwer

Überzogner Selbstwert führt
eventuell zum Größenwahn
Soziale Hemmungen verliert
in Euphorie der Kranke dann

Kritik zu üben kommt sehr schlecht
da diese Fähigkeit doch fehlt
denn sie haben immer recht
da eingestehen sie nur quält

Von sich zu sehr überzeugt
folgen dreiste Reaktionen
Mit vollem Einsatz übertreibt
der Kranke - muss danach sich schonen

Das Umfeld leidet sehr darunter
muss die Stimmungen ertragen
Irrationalität mitunter
kann schon lebenslänglich plagen

@ Nordwind

Dialog mit einer einer multiplen Persönlichkeit

Stets in andre Rollen schlüpfen
kontrollieren heißt das Spiel
von einem ICH zum andern hüpfen
Frust abbauen ist das Ziel

Figuren werden so erschaffen
denen man die Fäden hält
manchmal werden sie erschlaffen
in der eignen kleinen Welt.

Dieses Spiel bringt doch zum Lachen
doch die Vorsicht wird entschwinden
Hybris lässt dann Fehler machen
und ein Meister wird sie finden.

Für dein Spiel bist du Garant
hältst dich für intelligent
Dinge die signifikant
machen aber transparent.

Fangarme der Kontrolle greifen
schlagen wie Tentakel zu
lassen böse Absicht reifen
wie man vorgeht ist der Clou

Wie auch immer inszeniert
hinterlistig Rollen stricken
Jemand ist so raffiniert
um das Ganze zu durchblicken

@ Norwind

Wenn der Tag über die Nacht siegt,
hat man sich dann selbst besiegt?
Ängste vor dem Einschlafen gibt es zu Hauf.
Lange Aufbleiben das nimmt man in Kauf.

Gegen zwei drei dann doch eingeschlafen
und früh um sechs sich wieder aufraffen.
Wie beginnt man dann so einen Tag?
Ist das einer den man gerne mag?

Bei einem psychisch Kranken kommt dies all zu oft vor.
Da braucht derjenige sich selbst nicht zu schießen ein Eigentor.
Bei ihm ist dies Gang und Gäbe.
Und trotzdem kann man helfende Hände an einer Hand abzähle.

Die Konturen solcher Nächte sind immer zu sehen.
Da kann der Betroffene sich sonst wie sich drehen.
Er steht bereits mit Kopfschmerzen auf,
keiner ist da, der tut reagieren darauf.

Er versucht es weg zu retuschieren,
nur wird er bei diesem Versuch immer verlieren.
Wer kann so einem Menschen helfen, das ist hier die Frage.
Kein Therapeut, kein Arzt, niemand macht eine entsprechende Aussage.

Die Geister im Hirn können nicht vertrieben werden.
Für die Betroffenen gibt es kein Himmel auf Erden.
Und doch kann man ihnen ein erträgliches Leben geben.
Nur es müssten die "gesunden" Menschen sich einen Ruck sich geben.

Einige machen dies mit feurigem Eifer.
Nur von vielen wird gerüttelt an der Leiter.
An die Leiter wo Helfer und Betroffen zusammen drauf stehen.
Man hofft ein frischer Wind wird die Verzweiflung verwehen.