Gedichte über den Glauben - Seite 92

Sie blühen so lange

Dort wo sie blühen, da ist es kalt,
Die Sonne verdeckt, scheint nur indirekt:
Christrosen blühen, klein von Gestalt,
Halten den Vorgarten weiß bedeckt.

Wie kann man in solch unwirtlicher Lage
Diese wunderreinen Blüten ausbilden?
Da hab' ich dann doch die kleine Frage
An die Blume, die trotzt diesen Unbilden:

„Seid Ihr denn auch gut für die Vase,
Als Erstblüher in die Wohnung genommen
Für die erzwungene, inhäusige Lebensphase,
Damit wir Euren Glanz abbekommen?“

Tatsächlich stehen sie geschnitten im Raum
Und verbreiten schlicht ihre weiße Reinheit:
Sie sind unser allererster Frühlingstraum –
Die Blüten mit kleingliedriger Feinheit.

Und noch geschnitten in kleinem Glas
Wenden sie sich hin zu unserer Sonne.
Zuverlässig ist auf sie jährlich Verlass,
Denn sie tragen des Schöpfers Krone.


©Hans Hartmut Karg
2022

*

Vater unser im Himmel,
bist du überdrüssig vom Menschengewimmel?

Geheiligt werde dein Name,
gibt es Frieden wirklich oder ist es nur Reklame?

Dein Reich komme,
bitte für alle und nicht nur ganz Fromme.

Dein Wille geschehe,
das ist es, was ich gerade nicht verstehe,

wie im Himmel so auf Erden.
Auf Tod und Verderben?

Unser täglich Brot gib uns heute
und schütze uns alle vor des Putins mordenden Meute

und vergib uns unsere Schuld,
verzeihe meine Ungeduld,

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,
Putin betreffend liegt mir das gerade fern

und führe uns nicht in Versuchung.
Wegen Aussichtslosigkeit beim dunklen Fährmann 'ne Buchung?

Sondern Erlöse uns von dem Bösen,
lass' uns die Erde als Paradies erkennen und friedlich in der Sonne dösen,

denn dein ist das Reich,
Putin fühlt sich dir gleich,

und die Macht,
bitte pass' auf ihn acht

und die Herrlichkeit,
der ist zu allem bereit,

in Ewigkeit!
Erlöse uns von ihm, es ist höchste Zeit!

Amen

Thomas, der Zweifler

Da wünsch' ich mir schon Nächstenliebe

Auch Gläubige sind oft anfällig
Für Pomp im Schein von Goldes Glanzes,
Wenn die Einrichtung gar gefällig
Nicht mehr sieht auf ein Glaubensganzes.

Vielfach ist Denken ausgeblendet,
Wo Glaube nur Gefolgschaft will
Und man Heilsbotschaften aussendet,
Jedoch Bemächtigung das Ziel.

Da wünsch' ich mir schon Nächstenliebe,
Mit der Gemeinschaft auch begreift,
Dass in dem ganzen Weltgetriebe
Ein Hirtenstab als Hoffnung reift.

Das Sinnen ist wie Glaubensstreben,
Getragen von Mitmenschlichkeit.
Das bringt dem Dasein faires Leben
Durch Zuwendung – ganz ohne Leid.


©Hans Hartmut Karg
2022

*