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Gedichte über Gewalt - Seite 112


Mein Kopf sagt: es ist vorbei. Mein Körper sagt: es passiert noch.

Es ist still.
Die Nacht ist längst hereingebrochen,
und alles um mich wirkt friedlich.
Aber in mir da ist Krieg.

Ich liege im Bett.
Die Tür ist abgeschlossen, die Fenster zu.
Ich bin allein.
Und trotzdem spüre ich ihn.

Nicht ihn als Mensch.
Sondern das, was er hinterlassen hat.
Das, was sich in meinen Körper eingebrannt hat,
wie Rauch in Kleidung, der nie ganz verschwindet.

Mein Herz schlägt zu laut.
Meine Muskeln sind angespannt,
mein Atem flach,
mein ganzer Körper bereit zur Flucht
obwohl niemand da ist.

Ich weiß, dass ich heute sicher bin.
Aber mein Körper glaubt das nicht.

Weil es damals auch leise war.
Weil er auch kam, als alles ruhig schien.
Weil ich damals auch dachte: Es passiert doch nichts.
Bis es passierte.

Seitdem trägt mein Körper Erinnerungen,
die mein Kopf längst zu vergessen versucht hat.
Aber mein Körper hat nicht vergessen.

Manchmal fühlt es sich an,
als wäre ich innerlich immer noch dort:
gefroren,
ohnmächtig,
abgeschnitten von mir selbst.

Als hätte ich mich nie ganz zurückgeholt.
Als wäre ein Teil von mir dort geblieben
wo mein Nein übergangen wurde,
wo mein Körper mir genommen wurde.

Und seitdem ist nichts mehr wie vorher.

Berührungen können plötzlich zu viel werden.
Ein bestimmter Tonfall, ein Geruch, ein Blick
und alles in mir springt an.
Ich ziehe mich zurück,
bin wieder dort,
auch wenn mein Kopf sagt: Es ist vorbei.

Am Tag sieht man mir das nicht an.
Ich lache.
Ich rede.
Ich funktioniere.
Aber manchmal sitze ich ganz still,
und spüre, wie mein Inneres zittert,
ganz ohne Grund
nur weil mein Körper sich erinnert.

Es ist nicht vorbei.
Nicht für mein Nervensystem.
Nicht für mein Inneres Kind,
das damals nichts tun konnte
und bis heute nicht weiß, wie es sich retten soll.

Ich bin nicht schwach.
Ich bin nicht überempfindlich.
Ich bin nicht dramatisch.

Ich bin eine Frau,
die Gewalt erlebt hat
und deren Körper bis heute versucht, das zu überleben.

Ich wünsche mir mehr als das.
Ich wünsche mir,
dass mein Körper wieder glauben darf:
Ich bin jetzt sicher.
Ich darf Nein sagen.
Ich darf weich sein.
Ich darf mich spüren,
ohne Angst vor dem, was kommt.

Ich überlebe jede Nacht.
Und jeden Tag.
Aber ich will mehr als überleben.
Ich will leben.
Ganz.
Und heil.
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Häusliche Gewalt

Er hat Ärger im Büro,
im Straßenverkehr sowieso.
Der Stress, der sich schnell aufgestaut
wird zu Hause abgebaut.
Da kommt die Ehefrau ganz recht,
ihr geht es dann sogleich sehr schlecht.

Der Frau verdreht er gleich den Arm,
Grund, das Essen war nicht warm.
Ein Schlag folgt ins Gesicht sodann,
dass sie auch immer denkt daran.
Denn macht sie es ihm mal nicht recht
dann geht es ihr - ihr wisst es – schlecht.

Trotz all der Schläge, all dem Leid
weiß sie schon, dass sie verzeiht.
Er ist nun mal nicht immer so
hat eben Stress, in seinem Büro.
Und „rutschen“ mal die Hände aus
geht es auch meist ins Krankenhaus.

Und die Schuld bekommt dafür
mal die Treppe, mal die Tür.
"Sie ist immer so ungeschickt
hat nicht gründlich hingeblickt."
Er verspricht, dass er es nicht mehr macht,
hat auch Konfekt und Blumen mitgebracht.

Sie gibt sich dann auch gern die Schuld,
sie raubt ihm schon oft die Geduld.
„Mein armer Mann hat es schon schwer,
und ich nerve ihn schon sehr.
Wäre ich ihm eine gute Frau
würde er mich nicht verhauen
und ich weiß auch nicht wohin
weil ich ohne ihn ganz hilflos bin.“

„Ohne mich bist du allein“
Sowas redet er ihr ein.
„Ohne mich, da wirst du Leiden,
deshalb wirst du bei mir bleiben.
Ohne mich bist du nichts wert,
und jeder dir den Rücken kehrt.“

Doch dieses sind nur seine Worte,
Hilfe bieten viele Orte.
Doch Hilfe suchen ist auch schwer,
Hilfe annehmen meist noch mehr.
„Hatte er vielleicht doch recht?
Bin ich nervig und auch schlecht?
Vielleicht meint er es nur gut
und ich bin schuld an seiner Wut.“

Doch wird er die Schläge auch verteilen
wenn sein Chef ihn nervt zuweilen?
Schlägt er Menschen, blutig, krank
die groß und breit sind wie ein Schrank?
Wird er diese auch verhauen
um seinen Stress, schnell, abzubauen?

Ich denk, dass er sich dies nicht traut
Und deshalb seine Frau verhaut.
Die Macht, die er nicht kann erringen,
möcht mit Schlägen, er erzwingen.

Und ich sag euch ins Gesicht
Ändern
werden sich solche Menschen nicht.


© Michael Jörchel
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