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Gedichte zur Dunkelheit - Seite 2


Mein Kopf sagt: es ist vorbei. Mein Körper sagt: es passiert noch.

Es ist still.
Die Nacht ist längst hereingebrochen,
und alles um mich wirkt friedlich.
Aber in mir da ist Krieg.

Ich liege im Bett.
Die Tür ist abgeschlossen, die Fenster zu.
Ich bin allein.
Und trotzdem spüre ich ihn.

Nicht ihn als Mensch.
Sondern das, was er hinterlassen hat.
Das, was sich in meinen Körper eingebrannt hat,
wie Rauch in Kleidung, der nie ganz verschwindet.

Mein Herz schlägt zu laut.
Meine Muskeln sind angespannt,
mein Atem flach,
mein ganzer Körper bereit zur Flucht
obwohl niemand da ist.

Ich weiß, dass ich heute sicher bin.
Aber mein Körper glaubt das nicht.

Weil es damals auch leise war.
Weil er auch kam, als alles ruhig schien.
Weil ich damals auch dachte: Es passiert doch nichts.
Bis es passierte.

Seitdem trägt mein Körper Erinnerungen,
die mein Kopf längst zu vergessen versucht hat.
Aber mein Körper hat nicht vergessen.

Manchmal fühlt es sich an,
als wäre ich innerlich immer noch dort:
gefroren,
ohnmächtig,
abgeschnitten von mir selbst.

Als hätte ich mich nie ganz zurückgeholt.
Als wäre ein Teil von mir dort geblieben
wo mein Nein übergangen wurde,
wo mein Körper mir genommen wurde.

Und seitdem ist nichts mehr wie vorher.

Berührungen können plötzlich zu viel werden.
Ein bestimmter Tonfall, ein Geruch, ein Blick
und alles in mir springt an.
Ich ziehe mich zurück,
bin wieder dort,
auch wenn mein Kopf sagt: Es ist vorbei.

Am Tag sieht man mir das nicht an.
Ich lache.
Ich rede.
Ich funktioniere.
Aber manchmal sitze ich ganz still,
und spüre, wie mein Inneres zittert,
ganz ohne Grund
nur weil mein Körper sich erinnert.

Es ist nicht vorbei.
Nicht für mein Nervensystem.
Nicht für mein Inneres Kind,
das damals nichts tun konnte
und bis heute nicht weiß, wie es sich retten soll.

Ich bin nicht schwach.
Ich bin nicht überempfindlich.
Ich bin nicht dramatisch.

Ich bin eine Frau,
die Gewalt erlebt hat
und deren Körper bis heute versucht, das zu überleben.

Ich wünsche mir mehr als das.
Ich wünsche mir,
dass mein Körper wieder glauben darf:
Ich bin jetzt sicher.
Ich darf Nein sagen.
Ich darf weich sein.
Ich darf mich spüren,
ohne Angst vor dem, was kommt.

Ich überlebe jede Nacht.
Und jeden Tag.
Aber ich will mehr als überleben.
Ich will leben.
Ganz.
Und heil.
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Der Hund

Es gibt Tage,
da geht alles irgendwie weiter.
Ich steh auf.
Ich ziehe mich an.
Ich rede.
Ich funktioniere.
Aber in mir…
da ist etwas, das nie zur Ruhe kommt.

Ein schwarzer Hund.
Er läuft neben mir,
auch wenn ich versuche, ihn nicht zu sehen.
Er ist einfach da.
Immer schon.
Seit damals.

Es gibt Tage,
da bin ich leer.
Nicht traurig.
Nicht wütend.
Einfach… nichts.
Und niemand sieht es.
Ich lache,
ich funktioniere,
ich bin da
aber nicht wirklich.

Denn da ist etwas,
das immer mitläuft.
Ein Schatten.
Ein schwarzer Hund.

Ich habe ihm nie einen Namen gegeben.
Vielleicht,
weil ich dann zugeben müsste,
dass er wirklich da ist.
Und dass er zu mir gehört.

Er kommt nicht laut.
Nicht plötzlich.
Er ist einfach da.
Morgens.
Nachts.
Wenn ich mich frage,
ob ich es jemals schaffe,
wieder ganz ich zu sein.

Ich habe gelernt,
an ihm vorbeizusehen.
Ich spüre ihn in meinem Rücken,
wenn ich mich wie aus dem Nichts
wieder schmutzig fühle.
Wenn mein Herz rast,
und ich nicht sagen kann warum.
Wenn ich aufwache
mit einem Schmerz im Körper,
der keine Worte kennt
nur Erinnerungen.

Ich weiß, woher er kommt.
Ich erinnere mich.
An alles.
An ihn.
An mich.
An mein „Nein“,
das niemand hören wollte.
An meine Angst,
meine Erstarrung,
meine Einsamkeit danach.

Ich habe überlebt.
Aber ich bin nie ganz weitergegangen.
Ein Teil von mir ist dort geblieben.
In dieser Nacht.
In diesem Zimmer.
In dieser Haut,
die nicht mehr meine war.

Und der Hund
er ist die Erinnerung daran.
An das, was nie gesagt wurde.
Nie gefühlt werden durfte.
Nie gehalten wurde.
Auch nicht von mir selbst.

Ich habe versucht,
ihn zu ignorieren.
Mich selbst zu ignorieren.
Hab mich geschämt,
gehasst,
verurteilt.
Hab gesagt:
„Du hättest es wissen müssen.“
„Warum hast du ihn reingelassen?“
„Warum warst du so schwach?“
Und der Hund
hat mir dabei zugesehen.

Ich weiß,
dass er nicht mein Feind ist.
Nicht wirklich.
Aber ich hab Angst,
ihn anzusehen.
Denn ich weiß:
Wenn ich ihn wirklich anschaue,
dann sehe ich auch mich.
In meinem Schmerz.
In meiner Ohnmacht.
In meiner tiefsten Wahrheit.

Und ich weiß nicht,
ob ich das aushalte.

Aber tief in mir
ist da auch eine andere Stimme.
Ganz leise.
Ganz warm.
Sie sagt:
„Du musst ihn nicht sofort umarmen.
Aber vielleicht…
kannst du dich irgendwann zu ihm setzen.
Ganz vorsichtig.
Ohne Worte.
Nur da sein.“

Vielleicht
kann ich ihm dann sagen:
„Ich hab dich lange weggeschoben.
Weil du mich an etwas erinnerst,
das zu groß war für ein kleines Mädchen.
Aber ich bin heute größer.
Nicht unversehrt.
Aber lebendig.“

Vielleicht
kann ich ihm dann die Hand reichen.
Zittrig.
Ehrlich.
Nicht, um ihn wegzuschicken.
Sondern, um ihm zuzuhören.

Vielleicht
kann ich dann endlich mir selbst zuhören.

Und vielleicht
kann ich dann sagen:
„Ich bin noch nicht geheilt.
Aber ich bin bereit,
nicht mehr ganz alleine zu sein.“

Bis dahin
laufe ich weiter.
Mit Abstand.
Mit Angst.
Aber auch
mit dem ersten leisen Wunsch,
nicht mehr wegzusehen.
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