Gedichte zur Beziehung - Seite 248

„Ich bin müde“

„Ich bin müde,“ sagt der Mann zur Frau.
„Ich nicht,“ sagt sie und meint genau,
Dass nichts anders wäre, wie‘s immer war,
Auch schon vor ihrem ersten Hochzeitsjahr.

Lachen muss sie, sie kennt ihn ja,
Schon als sie ihn das erste Mal sah.
„Die werden nie miteinander starten!“
Das wollten Freunde so erwarten.

Doch meistens täuschen sich die Leute:
Ein Liebesleben ist keine prophetische Beute.
Da die Beiden fünfzig Jahre verheiratet sind,
War das Öffentlichkeitsorakel offenbar blind.

©Hans Hartmut Karg
2025

*

Ich möchte mich manchmal ohrfeigen.
Gegenüber meinem Ex-Mann praktizier ich nämlich das große Schweigen.
Dabei hatte er mich gehen lassen,
weil ich mich liebte und nicht anfing mich zu hassen.

Eine Freundschaft sollte es werden,
denn er war für mich das Beste auf Erden.
Warum also jetzt mein großes Schweigen?
Das mit der Freundschaft müsste ich ihm auch zeigen.

Bereue ich das etwa, das ich ihn verlassen habe?
Er hatte nämlich eine sehr große Gabe.
Er konnte ganz genau zu hören.
Irgendwann tat mir dies aber stören.

Bei der Liebe war er sehr einfühlsam.
Er behandelte mich, das ich beim Sex immer kam.
Häuslich war er auch ziemlich gut.
Er brachte mich dazu, das ich steigern konnte meinen eigenen Mut.

Kurz gesagt, er war eigentlich ein Traummann.
Nur einen Fehler hatte er, er nicht richtig seine Gefühle zeigen kann.
Aber seine gute Seiten überwiegten bei Weitem.
Also noch einmal, warum bestrafe ich ihn mit meinem Schweigen?

Ich habe einiges getan in meinem Leben.
Natürlich lag ich auch ab und zu daneben.
Aufgerichtet wurde ich ständig von meinem Bruder.
Ich behandelte ihn aber wie ein Luder.

Geändert hatte dies erst zweitausendzehn.
Da musste er zu einer Langzeittherapie gehn.
Er hatte ein Problem mit den Alkohol.
Ich war zu sehr mit mir beschäftigt und achtete nicht auf sein Wohl.

Als er ein ganzes halbe Jahr fort war,
kam mir das vor wie ganze drei Jahr.
Mir fehlte mein Bruder sehr.
Durch diese Langzeittherapie wurde aus meinem Bruder etwas mehr.

Er hatte dem Alkohol abgeschworen.
Nach einem Jahr schon, fühlte er sich schon wie neu geboren.
Seine Hilfsbereitschaft schnellte in die Höhe.
Er hörte bei mir sogar das Husten meiner Flöhe.

Gerade weil er mich noch mehr unterstützte wie zuvor.
Seitdem habe ich mir nicht mehr geschossen ein Eigentor.
Jetzt fühle ich mich noch mehr zu ihm hin gezogen.
Seitdem hatte er sogar nie die Wahrheit gebogen.

Deswegen ist meine Liebe zu ihm absolut keine Lüge
und das sind an mir wirklich neue Züge.
Mein Bruder hat mich wirklich aus dem Sumpf geholt.
Jetzt muss ich für ihn da sein, denn das hatte er wohl so gewollt.