Gedichte über Sprachen - Seite 31

Es gab einmal eine schlimme Zeit
Da hab ich an meiner Sprache gefeilt
Und Zeile für Zeile brutal beschnitten
Bis sie endlich von allem Ballast befreit
Und mich nur ganz sparsam mitgeteilt
Und viel zu sehr und täglich mehr genau darunter gelitten
-
Es wurde mir bald zur reinsten Qual
Dieser ständige Zwang, ob`s noch kürzer geht
Und immer von dieser Angst getrieben
So völlig absurd, schon fast surreal
Dass doch irgendwas zuviel da steht
Und sei`s nur ein Komma, das versehentlich übrig geblieben
-
Die Logik, die all dem zu Grunde liegt
Dass es ein Zeichen höchster Kreativität
Sich kurz zu fassen – Warum? Hab ich vergessen
Immerhin hab ich noch mal die Kurve gekriegt
Wenn auch ziemlich knapp, aber doch noch nicht zu spät
Allein, wenn man bedenkt, ich war damals wie besessen
-
Ich hab mich von jedem Zwang befreit
Ein paar Regeln halt ich aber schon noch ein
Ich werd auch weiter alles Überflüssige streichen
Nur geh ich dabei nicht mehr ganz so weit
Ich seh`s gar nicht mehr ein, zu verbissen zu sein
Um dann doch nichts und niemand damit zu erreichen
-
Und wenn mir danach ist, dann schwelg´ ich auch mal fast
Verschwenderisch in schönen Worten, solang es eben passt

Der Erde Sprachen sind Legion.
Wer könnte alle sprechen schon?
Da gibt es Englisch und Chinesisch,
Urdu, Hindi und Burmesisch,
Navajo, Deutsch und auch Zulu –
kein Rind versteht die andere Kuh.

Der eingestürzte Turm zu Babel
bewirkte, daß ein jeder Schnabel,
nachdem das Monument zerbrach,
sofort mit fremder Zunge sprach:
Man sagt, der Turmzerstörer namens „Gott“
sei schuld, daß wir heut’ alle polyglott.

Von Tokio, London bis Bad Gnomen
spricht man in fremden Idiomen.
Auf allen Schiffen, Booten, Nachen
hört man zigtausend fremde Sprachen.
Trotz allem reimt man länger schon
von Sydney bis nach Lissabon.

Ein Dichter, den geküßt die Musen,
weil die gern mit den Dichtern schmusen,
schreibt Verse nur, wenn er erkennt
sein angeborenes Talent,
die Worte so zu formulieren,
auf daß sie prächtig harmonieren.

Berühmt ist Lyrik ob der Reime,
mal witzig, ernst, oft auch Geschleime.
Die Lyrik heißt auch Poesie:
Wer sie nicht hat, bekommt sie nie,
denn Dichtkunst kann man nicht erlernen –
sie ist ein Glücksfall mit fünf Sternen!

Oft dient als Fallbeil sie dem Dichter,
macht ihn zum gnadenlosen Richter,
doch öfter kann man mit Gedichten
auch salomonisch weise richten
Dann bleibt der „Delinquent” am Leben –
laßt uns darauf die Gläser heben!

© Micha Schneider

Germanisten
Scharenweise
Werfen sich auf
Gedichte

Nur bestimmte

Zerschneiden
Verfügen
Neu fügen

Die Laute
Die Silben
Die Worte

Metaphernungetüme
Geschnitten nach Maß
Verstehbar für alle

Gedichte
Wäschegetrocknet
Benommen
Tappen gehorsam
Im Geleise
Allgemeiner
Gedanken

Verlieren sich ins
Deins, ins Ihrs
Und entbehren des
Urmeins

Zumindest bestimmte

Zum Glück und
Unglück
Nicht
Meins


© ANTOSCH

Worte mit zwei 'u' -
Da seufz' ich leise: puuh!

Der Kuskus und der Bulgur
Die Hutschnur und auch Sulfur
Augustus und der Uhu
Der Luxus und der Purpur

Worte mit zwei ‚a‘ -
da sag ich schon: aha!

Die Clara und das Mantra
Der Samba und Alhambra
Ciabatta und Sahara
Soljanka und Kassandra

Worte mit zwei ‚i‘ -
da mach ich schnell Pipi!

Die Iris und die Wirrnis
Ganz blindlings und ganz irdisch
Der Imbiss und das Finish
Stickig hier - und kindisch

Worte mit zwei ‚e‘ -
trink erst mal einen Tee!

Der Ede und der Elefant
Die Regel, die ist relevant
Der Regen und der Nebel
Die Merkel und der Hegel

Worte mit zwei ‚o‘ -
da staune ich: oho!

Der Otto und das Lotto
Der Porno und das Motto
Marokko und die Combo
Das Konto und der Kongo

Man könnt' mit Konsonanten
nun fortfahr'n, mit markanten
Doch spar ich mir das Psst! und Grrh!
Bibber und Hmmh! - Zitter und  Mmmh!