Sortieren nach:

Gedichte über Macht - Seite 11


Eiche

Im Wald ist sie der König
Und viele sind zu Gast
An Kraft hat sie nicht wenig
Im knorrigen Palast

Regiert wird mit der Güte
Ein jeder nimmt und gibt
Ganz zierlich ist die Blüte
Wie hat man sie geliebt!

Wer langsam wächst und stetig
Gewinnt mal große Kraft
Ist vieler Sorgen ledig
Hat seine Ruh und Rast


Anm.: Die Eiche ist von alters her ein Symbol der Stärke und Macht und den obersten Gottheiten zugeordnet. Tatsächlich ist sie ein Baum, der seine Zeit braucht, in jungen Jahren überhaupt keine Beschattung erträgt und erst mit 60 Jahren geschlechtsreif wird. Erst dann kann sie ihre Fruchtbarkeit entfalten und zu dem mütterlichen Baum werden, der viele Arten bei sich beheimatet und ihre Früchte nicht, wie die Buche oder Kastanie, mit einer stacheligen Kapsel schützt, sondern in einem Becher aufstellt. Diese männliche Kraft ist ihr zutiefst eigen. Sie schützt sich selbst mit einer dicken Borke, einem dicken Stamm und einem mächtigen Wurzelsystem. Ihr elektrischer Fluss ist außergewöhnlich stark, was sie für Blitze anziehender macht als die Buche. Sie kann 600 Jahre alt werden, in besonderen Fällen auch 1000 Jahre und darüber. Rinde und Blätter wurden früher zu Heilzwecken verwendet, die Eicheln waren vor der Einfuhr der Kartoffel ein Grundnahrungsmittel vom Mehl bis zum Kaffee. Den Christen war ihre hohe Stellung ein Dorn im Auge und galt ihnen lange Zeit als heidnischer Baum. Obwohl man ihm viel Böses nachsagte, benutzte man ihn zu Zauber- und Orakelzwecken. Er ist, trotz der Fällung der Donareiche durch Bonifatius, so sehr in unserer Seele verankert, dass mindestens 600 Orte in Deutschland auf sie Bezug nehmen (Eickelborn, Eichelhain …), viele Familiennamen (Aichinger, Eickmeier …), und ihr Laub Münzen, Wappen und militärische Abzeichen schmückt.


Anzeige


Ist es Ehrfurcht?

Heute
Lausche ich der Dunkelheit
Was will sie mir wohl sagen?
Ich sehe in ihr Schwarzgesicht
Dort blühen vereinzelt wilde Rosen
Raben krähen um die Wette
Lebensmüde, schluchzende Blutbahnen
In Schmerz und Einsamkeit
Pechverklebtes Blut das gerinnt
Angst jagt Angst
Ein stiller Fluch der nicht ankommt
Das Ziel nie erreichend
Nicht einmal in mir
Der ich so gebannt Antwort ersehne

Ich werde trotzdem antworten
Dunkelheit, ich kenne dich
Eigentlich finde ich dich bezaubernd
Du trägst in dir den Traum
Die Stille und das Wissen
Du lehrst Geduld und Sehnsucht
Du verwandelst alles
Das Sein und das Nichts
Du erweckst das Leben
Du bist der Todesbiss
Deine Freiheit zeichnet keinen Raum
Du bist Bewusstsein
Das viel zu große Universum
Die Kühle und die Sanfte
Melancholie und Grazie
Du liebst alles und vergisst
In dir findet sich Geborgenheit
Wenn man bereit ist zu fallen

Aber nun hat sich etwas grundlegend geändert
Du hast den Schrecken in mir erweckt
Große Furcht und Pein
Der stockende Atem
Das flatternde Herz
Die entsagte Liebe
Trauer und Verzweiflung
Ich ängstige mich plötzlich
Du Mutterschoß der Finsternis
Aus dir entsteht unentwegt Leben
Kein Same der nicht durch dich
Zum Leben erweckt
So fürchte ich mich von nun an vor dir
Vor deiner unerbittlichen Bewegung
Gerade eben diese unbändige Kraft
Sie stellt alles in den Schatten
Jedes Lebewesen ertrinkt in dir
Unbeschreiblich
Deine Macht der Wandlung
Ist es Ehrfurcht?



© Marcel Strömer
[Magdeburg, den 24.03.2019]
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige