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Gedichte über Liebe - Seite 748


Liebesirrtum

Liebesirrtum

Erzogen mit Normierung vom Mittelstand
Hoffte sie auf viel Glück und Erfolg,
War geerdet, ein Mädchen mit klarem Verstand,
Inmitten von Anreizen im Volk.

Das Einfache sollte stets höher steigen,
Die Herkünfte dadurch reicher gedeihen,
Das Sehnen sich nur zum Herzen neigen,
Wenn man es konnte ehrlich sich leihen.

Das ging gut, solange sie Arbeit hatte,
Mit Erziehungsaufgaben reichlich gesegnet.
Abends sank sie erschöpft auf ihre Matte,
Sah nicht mehr, ob es sonnig, oder ob's regnet.

Deshalb macht' sie zuerst auch alles mit,
Aufwärts ging es mit Garten und Haus,
Kinder kamen, es war ihr großer Hit
Des Erfolgs, den trug sie hinaus.

Doch als die Kinder dann ausgeflogen
Und sie endlich im Ruhestand weilte,
War sie auch ihren Aufgaben entzogen
Und der Durchhänger sie hart ereilte.

Was tun, wenn niemand mehr etwas will,
Das Alter nur noch die Jahre erfasst
Und man flehend sucht nach einem Ziel,
Das wieder zum späten Leben passt?

Niemand nahm jetzt mehr Notiz von ihr,
Der Mann alterte rascher als sie.
Für das Leben verlor sie viel Gespür,
Die Beziehung wurde Konfliktmanie.

Es klopfte, arbeitete in ihr gar sehr,
Wogegen sie sich nicht wehren konnte.
Der Ehemann lief treu hinter ihr her
Und freute sich, wenn sie sich sonnte.

Sie fühlte sich mehr und mehr eingesperrt,
Das verstärkt' auch die Pandemie.
In der Ehe sah sie jetzt keinen Wert,
Vielleicht war sie ja glücklich nie...

Immer hat sie sich nach einem Adonis gesehnt,
Nach dem schlanken, gehorsamen Mann.
An den hätte sie gern ihr Köpfchen gelehnt
Wär' spaziert mit ihm hin zum Tann.

So aber lebte sie mit dem Alten,
Der nicht von ihr lassen konnte.
Doch glaubte sie immer noch fest zu halten,
Was einst ihre Sehnsucht besonnte.

Das Leben lief weiter, ihr ging's nicht schlecht,
Gesichert im Wohlstand zu sein.
Das war ihr so schon irgendwie recht,
Doch sie blieb mit sich sehr allein.

So lebte sie ihre Ruhestandsjahre,
Immer hoffend und doch wenig geneigt,
Sich jetzt schon legen auf die Bahre,
Weil die Sehnsucht zum Leben steigt.

Immer hoffte sie, dass ihr Prinz noch käme,
Den sie sich früh erhofft schon hatte,
Doch das Schicksal treibt manchmal seine Häme,
So blieb ihr halt nur dieser liebende Gatte.

Sie las weiter ihre Frauenzeitschriften,
Färbte Haare, die Fuß- und die Fingernägel,
Schminkte sich und ließ sich heimlich liften
Und lebte dem End' zu auf flachem Pegel...


©Hans Hartmut Karg
2020

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Liebe in Ruhe

Liebe in Ruhe

Ja, einsilbiger wurde er immer mehr,
Aus dem Haus ging er nur noch selten.
Das Leben erschien ihm kraftlos und schwer
Und Erinnerungen bedeckten die Welten.

Gottseidank hatte das Haus mehrere Etagen,
So dass er allein unten leben konnte.
Sie blieb oben, selbst beim Wäschewaschen,
Weil das „Zwischendeck“ sie vollständig bewohnte.

Ein Haus wie ein Palast, groß wie ein Schiff,
Es gab genug Räume, um dahin zu fliehen,
Wo Sprachlosigkeit hatte alles im Griff
Und leicht man sich konnte zurück auch ziehen.

Sie aber brauchte Mensch und Geschäft,
Ihre Leidenschaft gehörte dem Schauen.
So nahm sie für sich in die Hand das Heft,
Um ihr Herz mit Kaufen zu erbauen.

Beiläufig entdeckte er ein Café,
Nahm dort täglich seinen Espresso.
So schwand auch ihm sein Altersweh
Und er ward ob der Abwechslung froh.

Da liefen Menschen, die ihn übersahen,
Denn wer schaut schon einen Alten an?
Er selbst musste sich niemandem mehr nahen,
Bitter spürte er: „Ich bin ein alter Mann!“

Vielerorts gab's nur berechnende Liebe,
Denn wahre Liebe braucht Hingabe und Zeit,
Fernab von lautem und schrillem Getriebe,
Dann wird Zärtlichkeit gern zum Handeln bereit.

Weltfern und doch auch übermannt
Kann weiterhin ehrliche Freude gedeihen,
Wo nichts mehr auf die Folter gespannt
Und ein ganzer Mensch bemüht mit dem Freien.

Das Harte wird weich, das Weiche hart,
Alles stellt die Liebe so auf den Kopf,
Weil man nicht mehr mit Berührungen spart,
Die Hand hält sich nahe beim Zopf.

Wäre die Liebe nur Idee und Vernunft,
Sie müsste allen Taten fliehen,
Gäbe uns nicht mehr jene Auskunft,
Mit der wir zum Leben erst ziehen.

Ob angekündigt oder spontan –
Wer sollte das vorher schon wissen,
Wie leicht das Herz sich einfühlen kann,
Wenn wir unsere Wunschfahnen hissen?

Deshalb Freund, kündige ja nicht groß an,
Was still Du verwirklichen willst,
Denn Du weißt auch als alter Mann,
Dass mit Intimität Du die Wünsche stillst.


©Hans Hartmut Karg
2020

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