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Gedichte über Hoffnung - Seite 442


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Behütetes Leben > Parabel

Regen prasselt auf eine schöne Wiese. Eingezäunt von Maschendraht,
100 mal 150 Schritte.
Vereinzelte Holunderbüsche bieten den einzigen Schutz vor Wind, Regen und Sonne.
Der verlockende Duft der Blütenteller verliert sich im Nichts.
Junge Gänse suchen fröstelnd Schutz unter den Büschen.
Der Wind hat die Sonnenwärme aus ihren Federn geblasen.
Zusammengedrängt zu hunderten, in weiße kleine Gänseinseln. Angstvoll und unbehütet.
Ihre Eltern durften sie nie kennenlernen.
Sie haben gemerkt, dass sie nur stark sind, wenn sie sich gegenseitig schützen.
Regen und Wind wechseln sich mit wärmenden Sonnenstrahlen ab.
Mit der Sonnenwärme kehrt der Lebensmut bei den Gänsen zurück.
Bei wildem Schnabelgegrummeln glätten sie ihre Federn.
Sie schütteln ihre Bertzel und verteilen mit den Schnäbeln das Fett daraus auf ihrem weißen Federkleid.
Auseinanderstrebend rupfen sie gleich darauf das Gras.

Der kleine Teich ist für alle Gänse die Attraktion, bei dem sie sich gerne treffen.
Sie unterhalten sich, machen sich wichtig, bilden kleine Gruppen... promenieren am Ufer oder schwimmen.
Geschäftig nie ruhend und immer bedacht gut auszusehen.
Scheinbar gleichen sie sich und trotzdem meint jede die Schönste zu sein… etwas ganz Besonderes.
Nach dem Vergnügen verteilen sie sich wieder auf der ganzen Wiese, bis zum Zaun.
Einige stören sich daran und versuchen ihn zu überwinden.
Alle Bemühungen bleiben erfolglos!

Später, wenn sie fast fliegen können, werden ihnen auf einer Seite einige Flügelfedern gestutzt.
Mit den gestutzten Flügeln sind sie nicht mehr flug- und fluchtfähig.

Bald stört es sie der Zaun nicht mehr....was ist Zaun?
Jeden Tag gehen sie Ihrer Beschäftigung nach, putzen sich raus, schwimmen, unterhalten sich, fressen und finden ihr Leben immer schöner.
Das Grün, das Kraftfutter, alles dazu geeignet aus ihnen immer herrlichere Gänse werden zu lassen.
Ihre Welt steht ihnen offen. Immer fröhlich, geschäftig, unbeschwert.
Dabei wachsam das schönste Gras, das meiste Kraftfutter zu bekommen.

Mancher Tag bringt Aufregung.
...ein Greifvogel versucht sich eine aus ihrer Mitte zu holen. Der junge Hofhund rennt bellend in wilder Hatz am Zaun entlang......

Alles wird immer wieder gut... die Gänse wachsen heran.
Sie gehen davon aus, dass ihr Leben nie schöner und besser sein kann.

Normalerweise verstehen sich Gänse zu verteidigen.
Als sie nun zusammengetrieben werden, wehren sie sie sich nicht mehr... sie haben Todesangst...
Rücksichtslos werden ihnen die Daunenfedern gerupft.
Die Schmerzrufe sind verhallt. Freigelassen konnten sie zurück auf die Wiese fliehen, froh mit ihrem Leben davongekommen zu sein.
Gerupft und der Willkür ausgesetzt, haben sie doch ihr Leben behalten dürfen.
Eine Erfahrung, die sie nach ein paar Tagen wieder vergessen haben, können sie ihrem gewohnten Leben nachgehen... etwas gerupft, aber sonst unversehrt.
Oder wie war das?.....gibt es doch Tage die sie nicht kennen?

Diese anderen Tage kamen!
Viele von ihnen wurden zusammengetrieben, eingefangen und weggebracht.
Die kamen aber nicht mehr zurück.
Das stört die anderen nicht weiter. Die kurze Aufregung, die Störung des Einfangens vieler von Ihnen war bald wieder vergessen.
Hat es doch jetzt den Vorteil: mehr Platz, mehr Gras zum Rupfen, kein so großes Gedränge mehr beim Schwimmen.

Auch wenn sie es noch nicht wissen, werden sie ebenfalls eingefangen und weggebracht... wie bei ihren Artgenossen zuvor, mit einem Stich in den Hinterkopf das Leben genommen.
Ausgeblutet werden sie wieder gerupft, ausgenommen, ohne Kopf, mit ihrer Leber, Magen und Herz versehen, in Klarsichtfolie verpackt.
Werden an Menschen verkauft, die sich schon das ganze Jahr auf den Gänsebraten gefreut haben.

Wechseln wir nun das Gänseleben mit dem Leben der Menschen aus....

Ihr tägliches Bemühen, ihre Hoffnungen... Wünsche, ihr Streben.
Wo unterscheidet sich das von den Gänsen auf der kleinen Wiese.
Mit welcher Arroganz und Ignoranz glauben Menschen frei zu sein, Ihr Leben selbst bestimmen zu können?
Alles ist vorgegeben, geregelt...
Verwaltet in ihrer scheinbaren Freiheit, unterwerfen sie sich immer mehr den Lasten, den Verpflichtungen und bildet sich ein, es sei ihre freie Entscheidung.
Nur....wo unterscheiden sie sich von den Gänsen?
außer in der menschlichen Überheblichkeit!?
Wo ist ihre Freiheit?
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Abendstille

Die Straßen still -
nackter Boden gefüllt mit Spuren des Tages.
Abendstille beobachtet meine Schritte,
malt meine Gedanken in die Wolken,
lässt meine Sehnsucht auf Flügeln des Windes tanzen.
Ich höre nur meinen Atem,
den Tritt unter meinen Sohlen.

Allein - ohne Rückblick -
schreite ich in die Dämmerung,
ignoriere die Stimme in mir.
Nicht lauschen möchte ich,
nicht verweilen in mir.
Ich möchte nur laufen. Doch wohin?
Alles ist schlafend und leer.

Der vergehende Tag
legt die beschriebenen Seiten
des heute Erlebten in seine geheimnisvolle Lade.
Weißt du noch?
Damals… ja da…
Weißt du noch, wie es war?
Ich schaue nicht mehr auf diese Blätter. Nein!

Ich gehe einfach weiter, einfach weiter allein.
Weiter und weiter und… Nein!
Ich möchte nicht mehr lesen, nicht mehr erinnern…
Ich möchte… ich weiß es nicht…
Mein stiller Begleiter... Im Schutz
meiner heimlichen Gedanken sei mit mir.
Sei mit mir in dieser Nacht.

Umhülle mich mit deinen heilenden Gedanken,
mit deiner seligen Stimme, erfülle mich mit ihr.
Verlass mich nicht.
Gib mir dein Auge, nur für diesen Moment.
Löse mich von meiner müden Hülle.
Gib mir heute Nacht meine Flügel zurück,
nur diese eine Nacht.

Der Gedanke allein schmerzt in meiner Brust.
Ich schaue hinauf... Da oben...
Der Abendstern erwacht
und schaut mich mit hellem Blinken ganz still an.
Weißt du noch?
Meine Bücher sammeln sich an
- Seite für Seite, - Leben für Leben.

Wie lange werde ich noch schreiben?
Was wird mit dem Geschriebenen geschehen?
Nur du, mein stiller Begleiter,
kannst es entziffern, es lesen
und mich verstehen.
Mein Freund der Nacht,
du bringst Ruhe in meine Gedanken.

Abendstille - leise und wunderlich.
Meine Augen sind müde, mein Weg nicht gewiss.
Ich suche meine Heimat, die ich so sehr vermiss.
Der Schatten weicht nun langsam von meiner Haut.
Der Nebel sich sacht in die Nacht befreit,
mit leichter Hand sein Geheimnis über mich legt.
Meine Abendstille, ich bewundere dich.

Bärbel Bö
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