Gedichte Über Geheimnisse - Seite 27

Wann wächst genug Gras
über eine Geschichte ...?
Wann verdrängt man was,
wann bleiben nur noch Gerüchte?

Wie lange dauert es,
bis sich keiner mehr erinnert?
Wann ist es wieder so,
dass kein Wort es verschlimmert?

Ist das Vergangene zugedeckt?
Mit ihm alles, was Zeugnis ablegt.
Eine neue Schicht Erde es begräbt,
darüber Gras, was für Unschuld steht.

Ist die Luft wieder rein?
Dann komme ich wieder zurück.
Die neue Weste so makellos fein,
die befleckte unter Erde zerdrückt.

Jetzt kommt schon,
alles ist wieder gut!
Das Gras so schön grün,
alle genug ausgeruht.

Auf ein neues Spiel des Lebens!
Wegen Kleinigkeiten kein Aufhebens...
Was gibt es Schöneres zuletzt,
als Gras, das über eine Sache wächst...

© meteor 2025

Traumhaft die Tage, sagenumwoben
die Schwammtaucher.
Ihre Karten wurden erstellt vor langer Zeit
von verwitterten Händen.
Amphoren voll Seeschwämmwe, Korallen.
Schaumhauben türmen sich auf.
Versunkene Schiffe gehören geborgen
noch vor dem ersten Sturm,
Seeschwalben kündigen schon davon
am Wintersaum.
Unter den Algen kaum erkennbar
im Schiffswrack -
Scherben, Drachmen, eigenartige Uhren
von Antikythéra.
Ununterbrochen fragt die Gischt:
"Was verbirgt sich
im angeschwemmten Muschelkalk wirklich?
Was kann derjenige sehen,
der in die bronzenen Statuenaugen
auf dem Meeresgrund aufmerksam schaut?".

© Lena Engelbrecht

Sie nennen dich Schatten, doch sie jagen dein Licht,
sie kommen bei Nacht und sie scheuen dein Gesicht.
Sie kaufen sich Wärme, sie kaufen sich Haut,
doch schämen sich später, als wär’s nicht erlaubt.

Du gibst, was sie suchen, im Flüstern, im Schweigen,
doch wirst wie ein Gut durch die Straßen getrieben.
Wie Fleisch ohne Namen, wie Ware, wie Staub –
ein Leben, das niemand im Tageslicht braucht.

Keiner fragt nach dem Morgen, nach dem Warum,
kein Blick in dein Herz, das ist schon lange stumm.
Sie sehen nur Stunden, Verlangen und Preis,
nicht die Tränen, die Kälte, das innere Eis.

Sie nennen dich Hure, ein Wort wie ein Stein,
doch du trägst Geschichten, verborgen, allein.
Ein Feuer, das brennt, hinter dem Vorhang und Glas,
zu wahr für die Stadt, die so tugendhaft war.

Denn dort, wo Moral im Schaufenster glüht,
wo jeder verurteilt, doch jeder auch zieht,
bist du die Wahrheit, die niemand bekennt –
zu nah, zu echt, bis sie schweigend verbrennt.