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Gedichte über Egoismus - Seite 15


Engel, wenn du ihn suchst

weil’s Schnürsenkel regnet da draußen und mir die Wolken
das Licht nehmen, schließ’ ich die Fenster und Türen, sortie-
re meine hungernden Schatten und verberge meine Liebe zu
dir in sorgsam gefalteten Händen, auf dass sie behütet bleibt
und dem Sturm aus Hassworten widersteht; so grau grau der

Morgen mitten im Sommer, in dem mir die letzten Schuppen
von den Augen gefallen sind und das Vertrauen in das Sichere
re, Gute und Zuverlässige sich ins kahle Stachelland ungläub-
igen nicht verstehen Wollens verkrochen hat; Julitag, anders
als alle Julitage zuvor, das Helle in uns scheint sich dem Dunk-

len unterworfen zu haben; in Parlamenten sucht jede jeder die
Schuld beim Andren; ungläubig stehen wir vor einem blutigen
Scherbenhaufen aus getäuschter Hoffung, gebrochenen Vers-
prechen; wir lassen sie im Stich, die sich bekannt haben und
auch die Freiheit der Frauen ist bedroht, sie werden sich unter-

werfen müssen, um zu überleben; die Erde bebt, Wasser und
Stürme töten und vernichten Träume weltweit, alles Lebendige
bedroht, Länder brennen, Millionen auf der Flucht vor Hunger
und Gewalt; ich fühle mich ausgeliefert und habe meinen Weg-
weiser aus den Augen verloren, der mich so sicher führte bis-

her, Gott, komm aus deinem Versteck, rette dein Ebenbild und
alles, was du geschaffen hast, vor dem Untergang; ich greif zu
einem Buch von gestern, vergessener Satz eines großen Poet-
en, besser kann man die Worte nicht setzen: *Engel wenn Du
ihn suchst, er ist Erde zwischen den Steinen am großen Berg*,

heut wärmt mich das Leben nur zögerlich, Verluste vagabun-
dieren mir über die Stirn, ich fahre mir mit der Hand übers Ge-
sicht, verwische eins, zwei wertlose Tränen, sage die gefund-
enen Silben rückwärts auf und begebe mich mit Vorsicht nun
daran, auch diesen schweren Tag mit Abstand zu betrachten


* Teil des Gedichts “Engel“ von Heinrich Böll




© M.M.
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Der Mustergatte

Schon um sechs Uhr fängt es an,
dann erwacht ihr Ehemann.
Sucht das Hemd, den linken Schuh
und die Brille noch dazu.

Weiß nicht wo sein Schlüssel ist,
auch das Geld wird oft vermisst.
„Du, heut Abend wird es später,
denn ich muss noch mal zum Peter!“

Dann verschwindet er im Bad,
duscht und schabt den grauen Bart.
Pinkelt dann, wie meist daneben.
„Ja, so sind die Männer eben!"

Und dann will er Ruhe haben,
sich am Frühstückstische laben.
Kaffee, Brötchen und zwei Eier,
mampft und stopft, hol ihn der Geier!

Ob er sie noch wirklich liebt?
Merkt er noch, das es sie gibt?
Wann gab es die letzte Rose?
„Helga, bügel meine Hose!“

Schnell zur Arbeit aufgemacht,
fühlt er sich stets unbewacht.
Und sein Blick gilt allen Frauen,
jeder Mann, will gern mal schauen!“

Und sie putzt die ganze Wohnung,
wäscht und kocht, kennt keine Schonung.
Denn er mag es rein und sauber,
sie sorgt stets für frischen Zauber!

Spät am Abend kehrt er wieder,
streckt behaglich seine Glieder.
Kaum ein Wort, das macht beklommen,
Fernseh´n in Beschlag genommen!

Schweigend wird nun dagesessen,
sie bringt ihm das Abendessen.
Dann verlangt er noch zwei Bierchen.
Ja, das ist sein Hauptpläsierchen!

Später dann im Schafgemäuer,
wird er gar zum Wiederkäuer.
Rülpst und furzt und schläft bald ein.
Sie liegt wach im Mondenschein.

Denkt der Griff zum Küchenmesser,
macht ihr Leben vielleicht besser.
Und er schnarcht der Mustergatte,
den sie mal so gerne hatte!

© Hansjürgen Katzer, Januar 2004
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