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Gedichte über Stärke - Seite 41


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Eiche

Im Wald ist sie der König
Und viele sind zu Gast
An Kraft hat sie nicht wenig
Im knorrigen Palast

Regiert wird mit der Güte
Ein jeder nimmt und gibt
Ganz zierlich ist die Blüte
Wie hat man sie geliebt!

Wer langsam wächst und stetig
Gewinnt mal große Kraft
Ist vieler Sorgen ledig
Hat seine Ruh und Rast


Anm.: Die Eiche ist von alters her ein Symbol der Stärke und Macht und den obersten Gottheiten zugeordnet. Tatsächlich ist sie ein Baum, der seine Zeit braucht, in jungen Jahren überhaupt keine Beschattung erträgt und erst mit 60 Jahren geschlechtsreif wird. Erst dann kann sie ihre Fruchtbarkeit entfalten und zu dem mütterlichen Baum werden, der viele Arten bei sich beheimatet und ihre Früchte nicht, wie die Buche oder Kastanie, mit einer stacheligen Kapsel schützt, sondern in einem Becher aufstellt. Diese männliche Kraft ist ihr zutiefst eigen. Sie schützt sich selbst mit einer dicken Borke, einem dicken Stamm und einem mächtigen Wurzelsystem. Ihr elektrischer Fluss ist außergewöhnlich stark, was sie für Blitze anziehender macht als die Buche. Sie kann 600 Jahre alt werden, in besonderen Fällen auch 1000 Jahre und darüber. Rinde und Blätter wurden früher zu Heilzwecken verwendet, die Eicheln waren vor der Einfuhr der Kartoffel ein Grundnahrungsmittel vom Mehl bis zum Kaffee. Den Christen war ihre hohe Stellung ein Dorn im Auge und galt ihnen lange Zeit als heidnischer Baum. Obwohl man ihm viel Böses nachsagte, benutzte man ihn zu Zauber- und Orakelzwecken. Er ist, trotz der Fällung der Donareiche durch Bonifatius, so sehr in unserer Seele verankert, dass mindestens 600 Orte in Deutschland auf sie Bezug nehmen (Eickelborn, Eichelhain …), viele Familiennamen (Aichinger, Eickmeier …), und ihr Laub Münzen, Wappen und militärische Abzeichen schmückt.


Der Hirsch

Das Morgenlicht ist schon erwacht,
der Hirsch erhebt sein stolzes Haupt
Die Erde ist noch taubenetzt-
schon geht des neuen Tages Lauf

Sein Ruf hallt weit hinaus ins Land,
er rüstet sich für diesen Tag
in Freiheit, Kraft und aller Würde -
Allein zu sein, das macht auch stark

Er läuft die wohlbekannten Pfade,
er steigt hinauf und stiebt hinab
Kaum einer hindert seine Wege -
zum Wasser zieht es ihn mit Macht

Er kommt zum Lauf des kleinen Flusses
und trinkt das herrlich kühle Nass
So kann das Leben weiter fließen -
braucht wenig Sorgen, keinen Hass

Noch and’re sind im nahen Wald
auf Wiesen und in lichten Höh’n
Sie spüren wohl ein inn'res Band -
so kann das Leben weitergeh’n

Ein tiefes Röhr'n manchmal erschallt
im tiefen, dunklen, wilden Wald
Zur Zeit der Brunft ruft er hinein:
"Hier, hier bin ich und hier ist mein"

So stattlich sein hat seinen Preis,
er trägt ja schwer, frisst viel und kämpft
Verliert bisweilen, blutet auch
und lebt auch mal etwas gedämpft

Der Abend senkt sich in die Fluren,
zum Wald hat er sich aufgemacht
Geschützt und still kaut er das wieder,
was dieser Tag ihm dargebracht


Anm.: Die Hirsche sind - bis auf die Brunftzeit im Herbst - Einzelgänger, während die Hirschkühe im Verband mit den Jungen leben. Ihr mächtiges und schweres Geweih, das ihre ganze Erscheinung bestimmt, wird jedes Frühjahr abgeworfen und muss erst wieder nachwachsen. Da muss der Hirsch bis zu 20 kg am Tag an Gräsern, Rinde, Pilzen und Beeren zu sich nehmen. Die Wissenschaft rätselt bis heute über diesen riesigen Aufwand. Der jährliche Neuaufbau könnte so etwas wie ein internes Regulativ sein: die gewaltige Kraft, Präsenz und Potenz ruft vielleicht nach einem starken Gegengewicht. Oder man entledigt sich wenigstens für ein paar Monate mal dieser Last, die ungefähr einem mit Wasser gefüllten Eimer entspricht, den wir ständig auf dem Kopf trügen.
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