Sortieren nach:

Gedichte über Philosophie - Seite 82


Das Unbehagen bleibt uns

Das Unbehagen bleibt uns
„Das Unbehagen in der Kultur“ wird 90!

Nur selten gab es eine solche Schrift,
Die ehrlicher, wirkmächtiger, vielschichtiger geschrieben,
Von Sigmund Freuds Analystenstift
Verfasst, die Menschheit auf dem Teppichflor geblieben.

Wie alle menschverfassten Denksysteme
Strebt auch Kultur Globalisierung an,
Damit sie mächtiger und einflussreicher käme
Und Aggression als Schuldgefühl auch wirken kann.

Die Machtentfaltung der Kultur wird Quelle vieler Leiden
Und führt das Unbehagen bei uns selbst herbei,
Weil unsere Triebe, eingeschränkt auch durch Bescheiden
Nicht mehr des Menschen wahre Freiheit sei.

Die Vatersehnsucht als Grundlage jeder Religion –
Nichts als narzistisches Einfühlen,
Ganz ohne Grenze zwischen Außenwelt, dem Ich als Lohn
Und auch ohne Bedeutung für ein wahres Ziel?

Als Pessimist sieht Freud Unlust, Leid, Unglück,
Weil die Kultur das Lustprinzip einengt,
Da Außenwelt, Sozialbeziehung, Körperblick
Hinführt zu Grenzen, die Freuden verengt.

Realitätsprinzip, das eher im Gepäck,
Trägt Einflussnahme auf Liebe und Lust,
Verfolgt Kultureinflüsse und den Zweck,
Der sublimierend mildern kann so manchen Frust.

Doch auch dann bleiben immer jene Grenzen,
Mit denen durch Beherrschung der Natur
Beziehungsregeln reichlich glänzen –
Durch Triebversagung in unsrer Kultur.

Wo nun das Individuum nach Freiheit strebt,
Jedoch damit Kulturfeindschaft heraufbeschwört
Weil Institut, Sozialität zur Überformung geht,
Bleibt auch der sexuelle Anspruch unerhört.

Wenn des Kulturmenschen Lüste geschädigt,
Obwohl Kultur ja auch auf Libido sich stützt,
Werden die Ansprüche durch die Neurosen nicht erledigt,
Weil Sicherheit eben auch mancher Seele nützt.

Mit Eros, Todestrieb sind Menschen ausgestattet,
Wodurch zu Objektliebe UND zum Narzismus diese fähig,
Weshalb auch Aggression und Selbstzerstörung nun gestattet,
Weil damit das zum Schuldbewusstsein sie befähigt.

Dass auch der Fortschritt zu Glückseinbußen führen kann
Weil er das Schuldbewusstesein ja nicht mindert,
Überfordern die Ethik und der Höherwahn
Die Triebbeherrschung, die dadurch behindert.

So können nicht nur Einzelmenschen sehr neurotisch sein,
Sondern vielleicht sogar die ganze Welt und die Kulturen.
Einsam fragt sich der Therapeut dann ganz allein,
Ob er mit seinen Theorien noch heilsam in Spuren.

Das Lustprinzip sieht Freud als unverzichtbar an,
Und doch erscheint es ihm kulturnah doch als unerfüllbar,
Weil unser Lebensglück nicht Ziel im Schöpfungsplan
Und nicht von Dauer, als ein Gegensatz genossen wandelbar.

Leid mindern kann man durch den Einfluss
Auf Organe, umgestalten auch die Wirklichkeit,
Erotisieren die Beziehungen als letzten Schluss,
Um dann im Lustempfinden steigern seine Freiheit.

Die Möglichkeiten bleiben durch Kultur begrenzt,
Selbst Sublimierung kann die Lusteinbuße niemals mindern,
Und weil die Religion als Massenwahn nur glänzt,
Lässt Infantiles die Neurosen nicht verhindern.

Deshalb besteht in jedem Leben jener Gegensatz
Zwischen Kultur und individueller Freiheit.
Auch Technik, Wissenschaft sind da kein Schatz,
Mit dem der Mensch zum Glücke hin befreit.

Kultur hat Einrichtungen erschaffen,
Um mit Normen Beziehungen vor der Natur zu schützen.
Freud hat deshalb mit seinen eigenen Waffen
Versucht, das aufzuschlagen, was die Seelenärzte nützen.

Er hat so neue Kontinente uns erschlossen,
Als dichotomisch Denkender erkenntnisreich
Die neuen Türen für uns aufgestoßen:
Das Unbehagen bleibt dennoch im Menschenreich.


©Hans Hartmut Karg
2020

*
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige


Die Schuldfrage stellen

Die Schuldfrage stellen

Darf man sie stellen oder nicht?
Wer darf sie stellen, immer wieder –
Oder eben nur zu einmaligem Gebrauch?

Darf man entlasten, darf man belasten,
Was nicht mehr entschuldbar ist –
Oder lenkt dies gar von Schlimmerem ab?

Von Hannah Arendt kennen wir den Satz,
Die Fliehenden nach 1945 betreffend:
„Politisch sind sie die einzigen absolut Unschuldigen.“

Doch sind Flüchtlinge wirklich unschuldig?
Hat sich da keinerlei Schuld eingeschlichen,
Wurde kein Unrecht verursacht oder gar her getragen?

Trägt eine Mutter Courage mit ihren Kindern
Nicht auch die Schuld an Verhältnissen,
Wenn sie flieht, vielleicht die Umwelt schädigt?

Müssen wir nicht vielmehr lernen,
Dass es nicht so sehr um die Schuldfrage,
Sondern um Verantwortung für Mensch und Erde geht?

Begriffe und Schuldzuweisungen helfen nicht weiter,
Wenn wir nicht die Verstrickung als Faktum begreifen,
Der ohnedies niemand wirklich entfliehen kann.

Und uns ALLE der Schuld laut zu zeihen
Führt zu NIEMANDES Schuldeingeständnis:
Das Schicksal allein ist an allem schuld!

Missbrauchen manche das nicht dafür,
Von ihrer Verantwortung abzulenken,
Um sich selbst um nichts mehr zu kümmern?

Hilft es, allein Schuld anzuerkennen –
Den Opfern oder vielleicht auch den Tätern,
Um mit dem Eingeständnis Sünden glatt zu bürsten?

Wo man noch beichtet und offen bereut,
Hat man da seine Handlungsweisen geändert
Oder missbraucht man Sühne als Tarninstrument?

Die Schuldfrage bringt uns nur weiter,
Wenn wir sie aus der Geschichte verstehen lernen,
Um unverkrampft eine humanitäre Zukunft zu schaffen.


©Hans Hartmut Karg
2020

*
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige