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Gedichte über Niederlagen - Seite 3


Unerklärlich

….Fast jeder, der Geburtstag hat,
ist häufig vor Erstaunen platt,
wie schnell und unabänderlich
das letzte Lebensjahr verstrich.
Der Mensch erfährt ja von Natur
Zeiträume anders als die Uhr,
die, wenn sie leise tickt und tackt,
die Zeit in gleiche Stücke hackt
und objektiv-mechanisch misst,
egal, ob´s schön, ob´s traurig ist.
Der Mensch misst individuell:
Ist´s schön, verrinnt die Zeit zu schnell.
Verliert das Leben Lust und Sinn,
dann zieht sie sich unendlich hin.
….Auch wird der Mensch im Lauf von Jahren
wahrscheinlich folgendes erfahren:
Am Anfang scheint er durch die Zeiten
im Schneckentempo hinzugleiten.
Allmählich kriegt die Zeit Propeller,
von Jahr zu Jahr verfliegt sie schneller.
Darauf beginnt sie wegzustieben
wie von Raketen angetrieben.
Zuletzt verkrümelt sich die Zeit,
so scheint´s, mit Lichtgeschwindigkeit.
….Zwar zeigt sich auf der Lebensreise,
er wird normalerweise weise.
Doch merkt er auch, sobald er klug,
er ist nie wirklich klug genug.
Er hängt noch stets an vielen Dingen,
die längst verschwanden und vergingen,
beansprucht, was er nicht besitzt,
und klagt, obwohl es ihm nichts nützt.
Er sagt: „Ich hätte“ und: „Ich wäre“,
zieht selbst doch selten eine Lehre,
hält´s aber für der Mühe wert,
dass er die anderen belehrt.
Das Leben strotzt von wunderlichen,
unausrottbaren Widersprüchen.
Ich wünsche dir in solchen Lagen
Geduld und Kraft, sie zu ertragen.
Bedenke, wenn du andern grollst,
auch Du bist nicht so, wie Du sollst.
Genieße das Geschenk der Zeit
mit Umsicht und Gelassenheit
und lass Dich nicht zu Boden boxen
von all den vielen Paradoxen,
die Dich von außen überfallen
und sich in dir zusammenballen.
….Und die Moral von der Geschicht´:
Auch ich, der Weise, weiß sie nicht.
Silesio
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Das Meer

Navigare necesse est – Seefahrt tut not

Dünung verläuft - hin zum Felsenstrand,
Wassers Lippen schmeicheln dem Sand,
Donnernd waschen Wellen felsige Rippen,
Brandung aufschäumt an rauen Klippen.

Wasser und Luft sich brausend vermischt,
Vor dem Bug hell aufschäumt die Gischt,
Ein einsames Segel eilt unter Land,
Geführt von einer sicheren Hand,
Strebt zu dem schützenden Hafen,
Schlag um Schlag gegen die Wasserwand,
Gewinnt es Meile um Meile den Kampf.

Eine Monstersee - rollende Flut droht,
Brechende Seen heben das Boot
Hoch hinauf - tragen es fort,
Schon geborgen geglaubt, ist es in Not.

Turmhoch hinauf ragen die Wogen,
Auf dem Rücken der Welle surft das Boot,
Widerstrebend gegen das Ufer gezogen,
Bevor sich Schiff und Mannschaft versehen,
Ist es schon um sie geschehen.
Die Wasser, sie rollen mit geifernden Rachen,
Reißen hinab in die tödlichen Schatten.

Der Schiffer noch hinter dem Steuer steht,
Ein stummes Gebet seine Miene bewegt,
Die rasende Welle das Schiffchen fortträgt,
Unbrauchbar das Ruder im Brausen schwebt.

Dann – gurgelnd der Kaventsmann bricht,
Das Schiffchen stürzt in die Felsen zurück,
Zerschmettert, zerbirst Stück um Stück.
Das Wasser bricht sich seine Bahn,
Bevor der Mensch sich besinnen kann,
Ein paar Wrackteile schwimmen umher,
Langsam wieder, beruhigt sich das Meer.
Es hat sein Opfer gefunden,
Das Schifflein ist verschwunden,
Als hätt man es niemals gesehen,
Als wäre es niemals geschehen.

Natur kann so grausam sein und so schön,
Seemann, du hast einen schweren Stand,
Der Feind der Seefahrt ist das Land,
Und ewig anpreien Wellen die Küste,
Gezeugt von der riesigen Wasserwüste,
Eine kurze Affäre im Zeitverbrauch,
Eine winzige Episode im Weltenlauf.

Rei©Men
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