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Gedichte über das Leben - Seite 1955


Tischchen rücken

Ich war einst mal zu Besuch
bei der Tante mit dem Buch.
Die Tante war ein Fräulein pur,
das Buch sah man von außen nur.

Sie legt den Kunden Patiencen,
meist über ihre Liebeschancen.
Oder über den Kurs der Bank
entwicklungsmäßig 10 Jahre lang.

Sie drehte meine Handfläche nach oben,
um meine Lebenslinien zu loben.
Mir erklärte sie sofort ganz ungezügelt,
ich wäre sichtbar poetisch beflügelt.

Mit Politikern, die sonst großen Mund,
wühlte sie im verblichenen Kaffeegrund.
Bei einer Grünen das gründlich misslang,
weil die nur grüne Teemischung trank.

Sie lässt schon mal das Pendel kreisen,
um uns die Zukunft zu beweisen.
Wenn es gilt sich zu entscheiden,
wer denn der Vater ist von beiden.

Und als Höhepunkt der Sitzungstage
kommt die Buchstabenabfrage
mit den längst verblichenen Tanten,
die den Bankcode uns nicht nannten.

Die Tischdecke trug rings als Kreis
Zahlen und Buchstaben schwarz auf weiß.
Die Tante ließ langsam einen Zeiger drehen,
auf einem Zeichen blieb er stehen.

Oft war es nur ein J(Ja) oder N(Nein),
dem Geist fiel keine Antwort ein.
Doch gab es auch lange Sätze,
wirres Zeug, nur keine Schätze.

Hinter der vorgehaltenen Hand
sie dabei uns mal gestand,
von Moses das berüchtigte 7. Buch
wäre unserer Nachbarin Fluch.

Wir saßen einst in großer Runde
bei der Tante zur Mitternachtsstunde.
12-mal schlug laut der Regulator
das Licht flackerte, doch nicht zuvor.

Wir legten die Hände an des Tisches Rand,
bis jeder beiderseits des andern Finger fand.
Die Tante murmelte unverständliche Worte,
die gebräuchlich sind an diesem Orte.

Sie rief laut die Tante in der Gruft,
ein feines Ziehen geisterte durch die Luft.
Sie hob die Hand, das Tischchen schwebte
obwohl noch eines jeden Hand dran klebte.

Wir haben später das Heben des Tisches versucht
und über dessen Gewicht geflucht.
Als die Tante neulich lag im Sterben,
ließ ich mir das Geheimnis vererben.

Doch sie mich dringend bat,
erspare allen Deinen Verrat.
Die Hilfe, die ich dir dazu gab,
behütet man bis in das Grab.

15.08.2013 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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Der Papierreiche

Vor vielen, vielen Jahren, unser Nachbar war schon alt,
da kamen zu ihm gefahren, ein Notar mit Rechtsanwalt.

Sie konnten ihm nur berichten, ihr Klient war lange tot,
unglaubliche Geschichten, vom Reichtum nach der Not.

Unseres Nachbarn Vater war, das wusste er selber nicht,
im Kriege verschollen zwar, doch verstorben war er nicht.

Gefangen als Kriegsmariner, weil er die Enigma gekannt,
blieb er im Land der Sieger, vergaß sein Heimatland.

Den eignen bekannten Namen, durch die Identität ersetzt,
die sich bot von seinem Kameraden, den es total zerfetzt.

Er hatte den richtigen Riecher, kaufte Aktienpapiere bloß,
der Wert stieg an der Börse, der Gewinn war riesengroß.

Es gab auch ein Gewissen, das ihn manchmal mahnte,
Frau und Kind zu vermissen, weil keiner etwas ahnte.

Die Zeit war nicht schlecht, doch die Polit-Stimmung flau,
Zwei Deutschland kämpften echt mit Ulbrichts Mauerbau.

Ein Detektiv kam nach Jahren, übern Teich mit großem Mut,
um zu ermitteln, die Frau verstorben, dem Kind ging’ s gut,

Kind war untertrieben dann, für den leiblichen Erben
denn das war ein junger Mann, der dachte nicht an Sterben.

Der Vater lebte schlicht und karg und starb in aller Ruhe,
Fremde packten ihn in den Sarg und versenkten diese Truhe.

Da standen nun die beiden Juristen als großer Schreck
mit symbolischen Koffern für Testament und Scheck.

Der Scheck ward beglaubigt, die Bank nahm ihn an,
ein mehrfacher Millionär war jetzt der junge Mann.

Fragte ihn jemand danach, gab er nur Ausflüchte
doch nur nach und nach erstickten die Gerüchte.

Der Mann, dem Vater gleich, übertrieb es sehr arg,
obwohl er doch stinkend reich. lebte er äußerst karg.

Neulich ist er trotzdem gestorben, Gott gab ihm Ruhe
es war kaum etwas Geld da für seine letzte Truhe.

Kein Sparbuch im Haus, kein Konto bei den Banken,
sie fanden manche tote Maus, ihre Hoffnungen sanken.

Die Erben suchten in der Nacht, sie gruben dabei alles um,
haben mächtig Krach gemacht und fanden vieles dumm..

Sie räumten alles aus dem Haus und mussten viel rennen,
sie schichteten einen Berg, um ihn zu verbrennen.

Das Wohnzimmerbild zertrümmert, schon Petroleum gegossen,
um den letzten Stuhl gekümmert, dann kam der Funke geschossen.

Der Haufen brannte lichterloh, die Verwandten sahen zu,
erschöpft waren alle froh und dachten nur an Ruh.

Weil keiner aufgepasst, flogen die zündenden Funken,
Flammen haben das Haus erfasst, lachend wurde darauf getrunken.

Es war nichts wert und keiner wollt s erben,
da war es besser, es fiel in Asche und Scherben.

Die Flammen, meterhoch, erst die Tapeten holten
und dann darunter noch die geklebten Geldscheine verkohlten.


21.05.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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