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Gedichte Über Erkenntnisse - Seite 9


Vom Ertrinken

Die Hände auf dem Rücken gefesselt
sitze ich in einem tiefen Wasserloch
und sehne mich nicht mehr nach Freiheit
Hier kann mir nicht viel passieren
Entweder halte ich die Luft an und versinke mit meinen Zweifeln
oder ich atme tief ein und steige mit meiner Hoffnung an die Oberfläche
Wasserperlen reihen sich wie auf einer Schnüre aneinander
und die Uhren lassen die Zeit nur langsam verstreichen
Wasserträger nehmen mir die Lasten von den Schultern
damit ich nicht tiefer sinken kann
Wassertürme auf Sand gebaut stürzen ein
und auf unruhigen Wasserstraßen schaukeln kleine Fischerboote
Wasserstaub legt sich auf meinen Körper wie zum Schutze
und Vögel legen eine Rast ein um sich auszuruhen
Das Wasser findet seine Wege auch ohne Kompass
und in Unterwasserwelten scheint keine Sonne
Über Wasser wandern können nur die Starken
um in Wüsten ohne Sand zu ertrinken
Wirbel bringen meine Gedanken durcheinander
um sie später auf der ruhigen See wieder auszusetzen
wo Fontänen in den Himmel schießen
Wasserstellen sind der Treffpunkt der Heimatlosen
und im Wasserspiegel kann ich mich nicht sehen
Wasserspiele kennen keine Gewinner und
ein Wasserschlag tut nicht weh
Wassersäulen fallen über Ertrinkenden zusammen
und eine Wasserrose versprüht keinen Duft
Auf Wasserrädern werden keine Rennen gefahren
und Wasserpistolen töten keine Menschen
Wassernixen sind unsichtbar
und Wassermänner keine Kavaliere
Auf der Wasserlinie kann ich nicht balancieren
und Wasserläufer haben es nicht eilig
Wasserkunst hängt nicht an der Wand
und am Wasserhimmel scheint kein Mond
Wassergüte vergibt nicht
und Wassergeister hört man nicht poltern
Wasserfedern schweben nicht davon
Wasserblasen geben Auftrieb
und Armut kann auch durstig machen
In Adern muss kein Blut fließen
und Wasserflöhe tanzen leichten Fusses
Leichen kommen irgendwann mit gefesselten Händen
wieder an die Oberfläche zurück und klagen an

Johannne Thomsen
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QUADRILLEN AUF PAPIER (1)

Artistenglück

Paul ist Hochseilartist und hängt ab am Trapez.
Seine Frau winkt von unten nach oben: „Wie steht’s?“
„Alles gut“, fuchtelt Paul mit den Armen zurück.
Damit endet ein äquilibristisches Glück.

Einfältig

Stupide scharrt das Huhn im Dreck,
es ist ein Nutztier, meist ein scheues.
Die Magd nimmt ihm die Eier weg,
prompt legt das dumme Ding ein neues.

Schicksal
Ein Krokodil im Sumpf sich wiegte
und einen Strumpf zu fassen kriegte.
Im Strumpf ein Fuß, daran ein Mann,
den fruß das Krokodil sodann.

Sieh mal
Als ihre rosa Brille zerbrach,
zog das die Wiederbelebung
längst verblichener Bilder nach
und veränderte ihre Umgebung.

Verwirrung
Ein Klavierspieler stürzte von seinem Klavier -
hammervoll. Doch er trank alkoholfreies Bier.
„Was? Mein Bier ist okay“, rief der Gastwirt erpricht.
„Mit dem Mann am Klavier stimmt hier irgendwas nicht“.

Unding

Im Rudel können selbst Hyänen
mit krokodilisch scharfen Zähnen,
allen Vermutungen entgegen,
den Löwen zum Verzicht bewegen.

Erfahrung

Erfahrung mit Gerüchen haben
in hohem Maße Küchenschaben.
Im Gegensatz zu Weinbergschnecken,
die nicht gut riechen, aber schmecken.

Kabinettstücke

Wer auf Weltpolitik macht und bringt es nicht,
soll sich besser verkrümeln, ehrlich.
Doch genau solche Flachzangen halten sich
für berufen und unentbehrlich.

Kinderreim

Pflegt einen Kinderreim das Kind,
bekommt es große Szene.
Trägt ‘s einen Rinderkeim vom Rind,
bekommt ‘s nur Quarantäne.

Orientalisch

Nicht selten wird ihr dicker Bauch
der Kindfrau zum Verhängnis.
Auf die Verdickung folgt nun auch
das Muselmann-Gefängnis.

Verzweifelt

Der schwarze Magier braut den Fluch,
gewillt, ihn in die Welt zu streuen.
Nach seinem tausendsten Versuch
wagt er verzweifelt einen neuen.

Fürstlich

„Lasst uns gemeinsam die Torte essen“,
empfiehlt der Kronprinz der Kronprinzessin.
„Mein Prinz, verzieht euch“, sind ihre Worte.
Zugleich verzieht sie sich mit der Torte.

Quarantäne

Ein Leopard im Zoo gestand,
er sei ein weißer Elefant.
Das rief den Tierarzt auf den Plan.
Die Diagnose, Rinderwahn.

Revision

Und weil in dem Journal nur Mist stand,
ging der Revisor sich beschweren.
„Was soll hier Soll sein, was ist Ist-Stand?“
Es ließ sich leider nicht erklären.

Scheintot

Ein Bauer brauchte dringend Speck.
Er schoss sein dümmstes Schwein tot.
Das biss ihn wütend und lief weg,
war scheinbar wohl nur scheintot.

Empfehlung

Was schenkt man einem Freunde, der noch raucht,
sonst alles hat und scheinbar nichts mehr braucht?
Schenkt eine Jubiläumszigarette
mit dem Vermerk, dass so was er schon hätte.
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