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Gedichte zur Dunkelheit - Seite 121


Der Hund

Es gibt Tage,
da geht alles irgendwie weiter.
Ich steh auf.
Ich ziehe mich an.
Ich rede.
Ich funktioniere.
Aber in mir…
da ist etwas, das nie zur Ruhe kommt.

Ein schwarzer Hund.
Er läuft neben mir,
auch wenn ich versuche, ihn nicht zu sehen.
Er ist einfach da.
Immer schon.
Seit damals.

Es gibt Tage,
da bin ich leer.
Nicht traurig.
Nicht wütend.
Einfach… nichts.
Und niemand sieht es.
Ich lache,
ich funktioniere,
ich bin da
aber nicht wirklich.

Denn da ist etwas,
das immer mitläuft.
Ein Schatten.
Ein schwarzer Hund.

Ich habe ihm nie einen Namen gegeben.
Vielleicht,
weil ich dann zugeben müsste,
dass er wirklich da ist.
Und dass er zu mir gehört.

Er kommt nicht laut.
Nicht plötzlich.
Er ist einfach da.
Morgens.
Nachts.
Wenn ich mich frage,
ob ich es jemals schaffe,
wieder ganz ich zu sein.

Ich habe gelernt,
an ihm vorbeizusehen.
Ich spüre ihn in meinem Rücken,
wenn ich mich wie aus dem Nichts
wieder schmutzig fühle.
Wenn mein Herz rast,
und ich nicht sagen kann warum.
Wenn ich aufwache
mit einem Schmerz im Körper,
der keine Worte kennt
nur Erinnerungen.

Ich weiß, woher er kommt.
Ich erinnere mich.
An alles.
An ihn.
An mich.
An mein „Nein“,
das niemand hören wollte.
An meine Angst,
meine Erstarrung,
meine Einsamkeit danach.

Ich habe überlebt.
Aber ich bin nie ganz weitergegangen.
Ein Teil von mir ist dort geblieben.
In dieser Nacht.
In diesem Zimmer.
In dieser Haut,
die nicht mehr meine war.

Und der Hund
er ist die Erinnerung daran.
An das, was nie gesagt wurde.
Nie gefühlt werden durfte.
Nie gehalten wurde.
Auch nicht von mir selbst.

Ich habe versucht,
ihn zu ignorieren.
Mich selbst zu ignorieren.
Hab mich geschämt,
gehasst,
verurteilt.
Hab gesagt:
„Du hättest es wissen müssen.“
„Warum hast du ihn reingelassen?“
„Warum warst du so schwach?“
Und der Hund
hat mir dabei zugesehen.

Ich weiß,
dass er nicht mein Feind ist.
Nicht wirklich.
Aber ich hab Angst,
ihn anzusehen.
Denn ich weiß:
Wenn ich ihn wirklich anschaue,
dann sehe ich auch mich.
In meinem Schmerz.
In meiner Ohnmacht.
In meiner tiefsten Wahrheit.

Und ich weiß nicht,
ob ich das aushalte.

Aber tief in mir
ist da auch eine andere Stimme.
Ganz leise.
Ganz warm.
Sie sagt:
„Du musst ihn nicht sofort umarmen.
Aber vielleicht…
kannst du dich irgendwann zu ihm setzen.
Ganz vorsichtig.
Ohne Worte.
Nur da sein.“

Vielleicht
kann ich ihm dann sagen:
„Ich hab dich lange weggeschoben.
Weil du mich an etwas erinnerst,
das zu groß war für ein kleines Mädchen.
Aber ich bin heute größer.
Nicht unversehrt.
Aber lebendig.“

Vielleicht
kann ich ihm dann die Hand reichen.
Zittrig.
Ehrlich.
Nicht, um ihn wegzuschicken.
Sondern, um ihm zuzuhören.

Vielleicht
kann ich dann endlich mir selbst zuhören.

Und vielleicht
kann ich dann sagen:
„Ich bin noch nicht geheilt.
Aber ich bin bereit,
nicht mehr ganz alleine zu sein.“

Bis dahin
laufe ich weiter.
Mit Abstand.
Mit Angst.
Aber auch
mit dem ersten leisen Wunsch,
nicht mehr wegzusehen.
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"In sich selbst gefangen"

- Fünf Beispiele von fiktiven Charakteren -
-1-
Endlosschleife

Wann immer alte Wunden aufbrechen,
tritt er den seelischen Rückzug an,
distanziert sich von der Realität,
flüchtet sich in die Vergangenheit,
dem Ursprung seelischer Verletzungen
so als wollte er im Nachhinein
alles Fatale ungeschehen machen.
Dabei kreist seine geschundene Psyche
zum zigsten Mal in der Endlosschleife.
-2-
Psychische Grenzkontrolle

Er ist unfähig
über den eigenen Schatten
zu springen.
Eine Grenze
aus diffusen Ängsten
hält ihn davon ab,
aus sich herauszugehen
und über sich selbst
hinauszuwachsen.
-3-
In sich selbst gefangen

Indoktrination
durch Ge- und Verbote
aus frühen Kinderagen
legen ihn an die Kette,
lassen nur eingefleischte
Gewohnheiten zu.
Innere Dämonen
bewachen das Tor
zur seelischen Freiheit.
Beim „Ausbruchversuch“
warnen sie ihn:
„Was sollen denn die andren
von dir denken?“
-4-
Randfigur im eigenen Leben

Innere Blockaden
verhindern zu tun,
was sie sich
von Herzen wünscht.
Jahr für Jahr vergeht,
ohne dass sie sich
innerlich einen Ruck gibt.
Inzwischen ist ihre
Entwicklung nahezu
zum Stillstand gekommen.
Sie verachtet sich selbst,
zugleich diejenigen,
denen sie Erfolge neidet,
die bei ihr ausbleiben.
Ob sie irgendwann
ihre inneren Blockaden
lösen wird, um doch noch
erfolgreich durchzustarten,
steht in den Sternen.
-5-
Persönlicher Zerfall

Seine Seele, sein Geist
sind geschwächt, gespalten.
Mit sich selber kommt er
nicht länger zurecht.
Sein aufgesetztes Lächeln
versucht, die Problematik
bestmöglich zu überspielen.
Wie lange kann er
die Fassade aufrechterhalten.
hinter der sein persönlicher
Zerfall voranschreitet?
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