Sortieren nach:

Gedichte über den Anfang - Seite 323


Liebe am Schreibtisch

Seht Euch meinen leeren Schreibtisch an,
wie der doch manches ändern kann.
Zuerst schloss ich in Muße und Ruhe
die benutzten Bücher in die alte Truhe.
Das Regal hatte sich einst gebogen,
die Literatur war in den Raum geflogen.
Die Truhe ist zwar untragbar schwer,
doch jetzt nicht mehr so sinnlos leer.

Aus dem Schubfach hole ich die Tinte,
samt Schreibpapier, damit ich Printe.
Dieses Wort dient mir oft als Ersatz,
wenn mir mal das Ende fehlt vom Satz.
Aus dem zweiten Schubfach zieh ich nun
eine Feder von Gans oder Huhn.
Mit dem Küchenmesser, heimlich stibitzt,
wird geduldig die Feder angespitzt.

Auf Beates Prospekt über Freizeitspass
tauche ich die Feder in das blaue Glas,
reibe die Spitze auf dem bunten Papier,
damit die Tinte läuft zu echter Zier.
Dann greife ich das leere weiße Blatt,
das sichtbar ein Wasserzeichen hat.
Nun muss ich nur reichlich sinnen,
dann kann der Liebesbrief beginnen.

Ich stütze den Kopf auf die Hände
und denke an des Liebchens Lende.
Zwischen Rock und Kragen sah ich heut
was jeden Mann besonders freut.
Nicht zu wenig und nicht zu viel,
doch schwer zu preisen mit dem Kiel.
Ich möchte gern den Anblick loben,
nun literarisch mit der Feder toben.

Computer und Handy fehlen ohne Geiz,
sie eignen sich nicht für jeden Reiz.
Die Technik klingelt nur und stört,
wenn die Erinnerung mich betört.
Ich muss an ihre Lippen denken,
den Blick in ihre Augen lenken.
Weil ich sie erst frech angestiert,
hat sie beim Kuss sich sehr geziert.

Doch als sie daran Gefallen fand,
schwanden wir in ein Märchenland.
Ich machte dabei manchen Test,
doch sie hielt nur meine Hände fest.
Und dieses unvergessene Ringen
möchte ich nun in Verse bringen.
Vielleicht kann ich ihr Herz erweichen,
eine abendliche Fortsetzung erreichen.

Angespornt von diesen Gedanken
Federkiel und Tinte im Papier versanken.
Über dreißig Zeilen konnte ich schreiben,
um auch beim lieben Thema zu bleiben.
Geistig erschöpft beklebte ich den Brief,
als draußen eine vertraute Stimme rief.
Was ich mir wünschte am Schreibtisch hier,
wird nun wahr, sie steht vor der Tür.
23.09.2018 © W.R.Guthmann
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige


Das Geburtstagsgedicht

Informationen müssen sein,
egal ob sie groß oder klein.
Früher war das romantisch gewesen,
da konnte man die Zeitung lesen.
Dabei sein Pfeifchen rauchen
und eine Lesermeinung gebrauchen.

Jetzt bei den vielen Informationsquellen
muss man sich sehr oft die Frage stellen,
brauch ich das oder brauch ich es nicht,
ist die Informationssammlung Pflicht?
Und so ist es auch mit den Gedichten,
wenn wir zum Geburtstag mal berichten.

Nehmt eine Frau von jetzt 80 Jahren,
gesund, gebückt, mit grauen Haaren.
Will ich ihr zum Geburtstag schreiben,
muss ich sehr viel Geschichte betreiben.
!938 vielleicht in Schlesien geboren,
war sie dabei als Krieg und Heimat verloren.

Über den Dächern Im letzten Kriegsjahr
die Luft sehr bombenschwanger war.
Brennende Städte und Luftschutzschächte,
Seuchen, Krankheiten, hungernde Nächte.
Es folgten Jahre blakender Kerzen
und Schulzeiten klopfender Herzen.

Sie lebte vielleicht, sie konnte es kaum ändern,
insgesamt in drei deutschen Ländern.
Sie hat Liebe, Sehnsucht, Hoffnung verflucht,
trotzdem einen eigenen Partner gesucht.
Kräftige packende Arme waren wichtig,
die getroffene Wahl nicht immer richtig.

Es konnte ringsum so vieles geschehen,
doch es musste immer weiter gehen.
Die Hände waren oft rissig und rau,
bei der Arbeit als deutsche Trümmerfrau.
Bald kamen Kinder, die Wohnungsnot stieg,
man schloss erste Häuserlücken vom Krieg.

Es fuhren schon wieder Busse und Bahnen,
das ließ Arbeit und Zukunft erahnen.
Sie konnte zwar wieder beim Kaffee plauschen,
doch oft gab es Leute, die hellhörig lauschen.
Es lebte nicht die Landwirtschaft nur,
jeder wurde Teil der Infrastruktur.

Silvester, Ostern , Weihnachten rief,
trockene Sommer und Schnee, oft tief.
In Kohlenferien und bei hitzefrei darben,
die Jahre vergingen, die Eltern verstarben.
Es hieß Geschenke für Enkel mitbringen,
man lernte wieder Schlager zu singen.

Man baute Mauern und riss sie dann ab,
Polizisten und Lehrer wurden bald knapp.
Es wuchsen Parteien, jeder redet jetzt frei,
doch sind viele schräge Worte dabei.
Drum schenkte sie ein und hob ihr Glas,
„Danke Euch allen, Prost und viel Spaß.“

30.08.2018 © W.R.Guthmann
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige