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Gedichte über Irrtum - Seite 27


Das Wochenende vor der Scheidung

* Nach einer wahren Begebenheit *

Freitag

Es ist spät geworden. Kopfsteinpflaster sind ermüdend; besonders mit diesen blöden Absätzen, die immer wieder zwischen den Fugen stecken bleiben. Iris ist hungrig und sehnt sich danach, endlich die Schuhe auszuziehen.
Im Briefkasten liegt ein Buch, eingebunden in Zeitungspapier. Ohne Adresse, ohne Absender.
Sie zieht den Mantel aus und die Schuhe. Ihre Füße sind geschwollen und schwer. Gleich wird sie ein heißes Bad nehmen.
Sie packt die neu gekauften Teile aus.
Die neue Bluse war eigentlich viel zu teuer, ist aber wunderschön. Montag wird sie geschieden und da möchte sie selbstbewusst auftreten. Sie will IHN nicht glauben lassen, es ginge ihr schlecht; außerdem soll er nochmal sehen, was er verloren hat. Stark will sie wirken. Gerne hätte sie den schicken Hosenanzug noch mitgenommen, aber das lässt ihr Budget nicht zu. Nicht mehr.

Romy hat schon zweimal auf den Anrufbeantworter gesprochen. Nach dem Essen oder nach der Tagesschau wird sie sie zurückrufen.
...Wer hat ihr denn ein Buch geschenkt. Einfach so. Ohne Anlass...

Nach dem wohltuenden Bad zieht sie den Frotteemantel an, kämmt sich die nassen Haare und nimmt den heißen Tee mit ans Telefon. Ach ja, das Buch.
Erstaunt über die Verpackung wickelt sie es aus und lässt es entsetzt fallen. „ Die Nacht vor der Scheidung“ von Sandor Marai. Sie liest die Abhandlung: “ Die Verhandlung kann nicht stattfinden, weil ich heute Nacht meine Frau getötet habe. Und ich bin gekommen, weil ich Dir alles erzählen will.“ Mit dieser verzweifelten Eröffnung beginnt das nächtliche Gespräch zwischen Richter Kömüves und seinem späten Gast.

Und das am Wochenende vor der Scheidung. Wer, zum Teufel kommt denn auf so etwas?
Ihr Noch – Ehemann? Will er sie verunsichern oder ängstigen?
Er hat sich so verändert während der Trennung, dass sie sich wundern muss, diesen Mann mal geliebt zu haben.
Nein, das traut sie ihm doch nicht zu. So grausam ist er nicht.
Aber wer sonst hätte Interesse daran, so etwas zu tun?

Zitternd nimmt sie den Hörer und ruft ihre Freundin Romy an. Auch die ist entsetzt. Beide versuchen, eine Erklärung zu finden – ohne Erfolg.
Um sich abzulenken, zappt sie sich durch die TV – Programme. Krimis fast überall. Bei 3 nach 9 im NDR entwickelt sich eine lockere Unterhaltung mit interessanten Gästen. Irgendwann schläft sie ein.

Samstag

Nach einer unruhigen Nacht zieht sie ihre Jeans und die Sneakers an und holt frische Brötchen für das Frühstück. Immer, wenn sie gestresst ist, wird sie hungrig. Dabei wollte sie eigentlich bis Montag noch mindestens 1 kg. loswerden.

Zuhause angekommen, holt sie die Zeitung aus dem Briefkasten. Ihre Nachbarin, eine alte Dame steht vor dem Haus und schüttelt verwundert den Kopf.
„Guten Morgen, Frau Bergmann, kann ich Ihnen helfen?“
„Ich verstehe das nicht. Meine Freundin Lena behauptet, sie hätte mir ein Buch von meinem Lieblingsschriftsteller in den Briefkasten geworfen, aber da war nichts. Meine Güte - ich bin doch nicht dement.“
„Handelt es sich um ´Die Nacht vor der Scheidung´?“
„ Woher wissen Sie das? Ja!“
„ Na, Frau Bergmann, wie wär´s mit einem gemeinsamen Frühstück bei mir?. Ich hab eine Überraschung für Sie..“
Die beiden Frauen sitzen zusammen und amüsieren sich köstlich über dieses makabre Ereignis. Mit einem Gläschen Sekt beschließen sie heiter den Vormittag und lassen das Wochenende auf sich zukommen.

*

Montag

Heute ist die Verhandlung. Bis jetzt leben noch alle Beteiligten.....

*




(C) Ingrid Bezold
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