Gedichte Über Beziehungen - Seite 240

Überbewerten

Wenn etwas sehr viel kürzer wird,
Gerät das Gegenstück nicht automatisch länger:
Was der Mensch als Schwäche spürt,
Gerät ohne Not oft zum Durchhänger.

Wenn wir so leicht überbewerten,
Was unser Gemüt täglich hochtreibt,
Werden wir nicht Glied der Gelehrten,
Nur die Distanz zum Erfolg – die bleibt!

Nicht alles im Ich-Bezug wird Eigenbehalt,
Selbst wenn es unser Sinnen bebildert.
Oft zeigt uns das eine verbogene Gestalt,
Die leider grandios ausgeschildert.

Übertreibung kann auch Lüge sein,
Selbst wenn wir wiederholend betonen,
Als träfe uns das Leid ganz allein,
Andere würde das Schicksal belohnen.

©Hans Hartmut Karg
2025

*

Mit dem Mögen ist's so ne Sache...
wer sich wirklich mag, benutzt eine
zwischenmenschliche Geheimsprache,
wer sich nicht mag, benutzt gar keine!

Ist einem jemand wirklich total egal,
dem teilt man das auch nicht mehr mit,
zu viel liegt im Argen seit letzten Mal,
ein "sorry" tut's nicht, bevor man vergibt.

Solange man aber miteinander spricht,
man nur sauer ist oder beleidigt ausrastet,
sich mal zu streiten, wobei nichts zerbricht,
neckisch mit Floskeln sich neu heran tastet.

"Ich mag dich überhaupt gar nicht mehr!"
heißt soviel, wie "ich hab schuld, tut mir leid!".
"Ich kann dich auch nicht leiden." meint eher:
"Du bist ein I-d-i-o-t, jetzt weißt du bescheid."

"Schön, das wäre jetzt geklärt." -> Erledigt!
Dieser Zoff ist es nicht wert, du aber bist es!
Ein gezielter Blick in die Augen macht selig,
die Mundwinkel oben und weiter geht es...

© meteor 2025

Schon mit der Ankunft

Schon mit der Ankunft
Wird die Abschiedsträne sichtbar,
Weil jedem Anbeginn ein Ende innewohnt.
Da hilft uns weder Sehnsucht noch Vernunft,
Zu allen Zeiten dies ja stets so war:
Die Zeit hat uns niemals entlohnt.

Deshalb nutze die wenigen Stunden,
Mit denen köstlich die Begegnung lebt,
Denn Seltenes kommt unbedingt nicht wieder.
Lasst gemeinsam kostbare Speisen Euch munden
Und bleibt die ganze Zeit redebestrebt:
Groß seien Eure schönsten Lieder!

Leben heißt: Immer das annehmen,
Was uns der jetzige Augenblick erbringt,
Wenn als Kostbarkeit wir ihn begreifen,
Uns hin zu Begegnungen bequemen,
Nichts aus der Fassung uns da bringt,
Wo Welten wir mit Seelen streifen.

©Hans Hartmut Karg
2025

*

***

Gestern hab' ich ausgeschlafen,
doch ich musste mich beeilen,
denn die ersten Gäste trafen
ein und wollten gern verweilen

bei Kaffee und süßem Kuchen,
nur hat dieser sich versteckt,
alle halfen mit beim Suchen,
schließlich wurde er entdeckt.

Endlich konnte man genießen.
Als der Kaffee alle war,
konnte keiner sich entschließen,
und so blieb die ganze Schar

noch abends auf dem Sofa sitzen,
lümmelte sich dort herum,
tat den letzten Keks stibitzen,
dieses wurde mir zu dumm:

Bis um elf dürft ihr noch rasten,
doch ich brauch' meinen Schönheitsschlaf.
Werft den Schlüssel in den Kasten,
dann geht. Doch leise, wenn ich bitten darf.

Der Nachbar wird auch reklamieren,
wenn Türen schließen mit 'nem Knall,
und Schuhe auf der Trepp' marschieren,
dann denkt er gleich an Überfall.




04.06.2025