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Gedichte über den Tod - Seite 12


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Die Erde, sie wird sich auch ohne uns drehen

Bilder des Kriegs kann man so verstecken,
dass wir uns nicht zu sehr erschrecken,
auf dass wir die Contenance behalten,
zufrieden und froh die Tage gestalten,

die Fotos des Horrors, man kann sie zensieren,
dass wir des Nachts den Schlaf nicht verlieren,
die lodernde Glut der Bombennächte,
die den Opfern erscheint wie höllische Mächte,

das Wimmern von Menschen unter den Trümmern,
ist so weit entfernt, soll uns nicht bekümmern,
auch soll’n wir die Augen, wenn möglich, verschließen,
davor, dass dort Kinder auf Kinder schießen,*

das Grauen der Kriege, wir solln’s nicht verstehen,
die Angst in den Augen, wir woll’n sie nicht sehen,
auch nicht das sinnlos vergossene Blut,
verfolgt uns im Traum und tut uns nicht gut,

wir sind so weit weg von den Schlachten der Welt,
müssen nicht hungern, wir zähl’n unser Geld,
pflegen mit Lust die alltäglichen Sorgen
und grübeln über das eigene Morgen,

betrachten uns stolz als den Nabel der Erde,
fotografieren uns selbst und folgen der Herde,
nach uns die Sintflut, das ist die Devise,
als ob sich Krieg so verhindern ließe,

doch täglich aufs Neue, da sterben sie,
vergebens das Ringen der Diplomatie,
jeder betrachtet’s aus seiner Sicht,
zur friedlichen Einigung kommt es so nicht,

in Wirklichkeit geht es hier nur um die Macht,
hört damit auf, s’ist nach Mitternacht,
wir sind übersättigt und über verwöhnt,
deshalb sagt uns die Wahrheit, ganz ungeschönt,

zeigt uns, wie die Hölle aussieht,
wie es ist, wenn man der Heimat entflieht,
fragt auch die Alten in unserem Land,
sie werden euch sagen, auch hier hat’s gebrannt,

das ist erst siebzig Jahre her,
sich daran zu erinnern, es fällt uns schwer,
an die Zeit, als die Synagogen brannten,
als wir uns stolz die Germanen nannten,

als wir glaubten, wir seien als Volk auserwählt,
ja, dieser Wahnsinn, er wurde erzählt,
man ließ hier Millionen Menschen ermorden,
und ihre Mörder erhielten Orden,

Bombengeschwader vernichteten Städte,
das war eine Katastrophenkette,
die Kinder und Frauen in großer Not,
an der Fronten die Männer, so sinnlos ihr Tod,

die den Krieg überlebten, sie haben gelobt,
dass in unserem Land kein Krieg mehr tobt,
niemals mehr wollten wir wieder aufrüsten
und uns mit dem Lorbeer der Siege brüsten,

die guten Vorsätze, sie sind längst vergessen,
wir haben die Felder ganz neu vermessen,
wir sind nun das reichste Land der Welt
und was uns fehlt, ist die Demut, nicht Geld,

wir wollen's nicht wissen und grenzen uns ab,
so schaufeln wir uns das eigene Grab,
irgendwann drückt ein Irrer den roten Knopf,
das kostet die ganze Menschheit den Kopf,

selbst, wenn wir es immer noch nicht verstehen –
die Erde, sie wird sich auch ohne uns drehen;
wir Menschen lernen nicht aus der Geschichte,
das ist’s auch, was ich bekümmert berichte,

sonst gäb’s keine Kriege mehr auf der Welt,
s’wär besser um die Natur auch bestellt,
dann hätten wir längst das Teilen gelernt,
doch davon sind wir noch Meilen entfernt,

dem allem zum Trotz lasst uns weiter hoffen,
vielleicht steht dennoch ein Türchen offen,
wir alle gemeinsam könnten es schaffen –
in Eintracht, mit Liebe, und ganz ohne Waffen.

(aufgeschrieben vor dem Ukrainekrieg; *bezogen auf Kriege in Afrika oder weltweit, im nahen Osten vor allem auf den Krieg im Jemen, wo auf beiden Seiten immer noch auch mit deutschen Waffen getötet wird, auf Kriege, über die kaum noch berichtet wird, weil sie so schön weit weg von uns stattfinden …)

©M.M.
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Beste Freundin

Hast dein Ziel erreicht,
für dich ist es leicht; doch jetzt,
da du nicht mehr lebst, da du tot bist,
da dein heller Geist deinen Körper verließ,
einfach so, weiß ich nun nicht, wohin, wer ich bin;
ohne dich nicht mehr froh, versteh’ nicht, wieso; weiß
nicht, was tun; was wird aus mir nun; niemals mehr frohe
Blicke tauschen, deiner Stimme lauschen - sie war so wie du,
zerbrechlich und zart, gar nicht hart; ich hörte dir liebend gern zu;
niemals mehr deine Hand berühren, übers Haar dir streichen, Rührung
spüren, mit dir flüstern, kichern und schmökern - in ähnlichen Büchern
und manchmal auch streiten um Kleinigkeiten; niemals mehr mit dir um
Wahrheiten ringen, im Duett auch singen, dich beim Arbeiten stören,
ew’ge Treue sich schwören, klagen und barmen und sich umarmen;
ohne dich bin ich nun, da du tot bist, unsagbar allein; wie es war,
wird es niemals mehr sein; bin ohne dich - nicht mehr ich,
und mir wird kalt - sein für lange Zeit; bin nicht zu ver-
gessen bereit; da du nun fort bist, werd' ich bald alt
sein; find’ keinen Schlummer, rufe dich an,
die vertraute Nummer, und ich lausche
dem Klang deiner Stimme Gesang, fühle
Glück, und ich höre dich sagen, bin nicht
zu Hause, hinterlass’ eine Botschaft - ich
rufe zurück; dann die Pause; und ich sage ganz
leise auf meine Weise, wo bist du nur; doch von dir
keine Spur; bin in Not, klingt so hart, dieses tot; wer hält
mir die Hand, wenn ich weine; ich bin so unsagbar alleine;
werde es nie verstehen; warum musstest du vor mir gehen;
Stille ist einkehrt, Herz und Seele versehrt, bist auf Reisen
gegangen in ein fremdes Land, weit entfernt und mir un-
bekannt; konnte dich nicht begleiten, muss es nun
einsam erleiden; doch ich sag’ mir zum Trost –
für dich ist’s jetzt leicht, denn du hast
das Ziel vor mir erreicht.

©M.M.
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