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Gedichte über Ironie - Seite 23


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Der Weihnachtsbaum

Der Weihnachtsbaum

Vor einundzwanzig Jahren holte er sich einen Baum,
Angeblich frisch geschlagen in dem nahen Wald,
Der sah gut aus, gewachsen wie ein Traum,
So kegelförmig, frisch, grün, eben von Gestalt.

Geschmückt, mit echten Kerzen ward er bald verziert
Und stand leuchtend am Heil'gen Abend im Wohnzimmer,
Damit in dieser Nacht auch hier das Heil erspürt,
Erfüllt von jenem krippenahen Gnadenschimmer.

Doch als gesungen und Geschenke alle ausgepackt,
Begann die warme Luft vom Baume her zu stinken,
Hat mit dem Stearingestank zusammen die Familie verjagt –
Da musste jene Weihnachtsfreude auf den Nullpunkt sinken!

So warf man denn zum ersten Weihnachtstag den Baum hinaus,
Der, eingesprüht und imprägniert kein Nädelchen verlor,
Nicht reinigte die Luft, verstank das Weihnachtshaus,
So dass man künftig sich auf Besseres einschwor.

Man kaufte sich vor zwanzig Jahren deshalb einen Baum
Aus feinem Kunststoff, edel, teuer, fast wie echt.
Der unterschied sich von Naturbäumen ja kaum,
Man wurde dadurch unserer Umwelt sehr gerecht:

Bestückt nur noch mit duftlosen Elektrokerzen,
Mit gelben Strohsternen und Holzfiguren
Trug er geruchlos Weihnacht in Familienherzen
Und hinterließ nachweislich keine schlimmen Spuren.

So mussten zwanzig Weihnachtsbäume auch nicht sterben,
Weil jährlich jener Kunststoffbaum rasch aufgestellt,
Elektrokerzen konnten für Familiengesundheit werben
Und trugen ökologisch sinnvoll diese Weihnachtswelt.

Ein paar Grünzweige dann von einer Gartentanne
Verbreiteten am Weihnachtsanfang ihren feinen Duft.
Und abends strömte aus großer Bratpfanne
Nur noch herrliche Zwiebel- und Kartoffelluft.


©Hans Hartmut Karg
2018

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