Die drei Fischer

Ein Gedicht von Jürgen Wagner
Das Schiff des Bischofs machte Halt
an einer Insel weit entfernt
Der ging am Strand und sah alsbald
drei Fischer, arm und ungelernt

Sie flickten grade ihre Netze,
begrüßten ihn freundlich und sacht
Sie kannten kaum die alten Sätze,
die man den Vätern beigebracht

‚Wir sind Christen, grad wie Ihr‘,
so riefen sie ihm fröhlich zu
Der Bischof nahm sie ins Visier
Sie saßen da in Fried‘ und Ruh

‚Was betet ihr denn alle Tage?‘
so fragte sie der Kirchenmann
'Verzeiht, wir sind nicht in der Lage,
so viel zu wissen. Stundenlang

jedoch begleiten uns die Worte:
‚Wir sind drei und Du bist drei,
sei unser aller Seelenhorte‘ -
so sagten sie ihm frank und frei

‚Kennt ihr denn nicht des Herrn Gebet?‘
‚Oh lehrt uns das, wir bitten Euch!
Das haben wir noch nie gehört‘
Er sprach es vor – es war nicht leicht

Am ander'n Tag stach er in See,
die Insel war noch gut zu seh'n
'Ich glaube nicht, was ich da seh:
drei Männer, die auf Wellen geh'n!'

Sie kamen zu ihm über’s Meer,
sie hatten das Gebet vergessen
'Wie hieß das noch? – Es war zu schwer!‘‘
Der Bischof sagte nun stattdessen:

‚Oh heil‘ge Männer, kehrt zurück,
sprecht weiter eure schlichten Worte
Ich bin beschämt ein ganzes Stück:
ihr seid schon an der Himmelspforte!‘


Nach L. Tolstoi "Die drei Greise"

Informationen zum Gedicht: Die drei Fischer

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20.05.2015
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Jürgen Wagner) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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