Titel | ||||
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45 | Laut schreiben | |||
Vorschautext: Ich schreibe, um den Schmerz zu übertönen, den mir die Erkenntnis verursacht, dass es nicht genug Worte gibt, um auch nur eine Menschenseele zu beschreiben. |
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44 | Doch keine Pfandflasche | |||
Vorschautext: Am Ende des Tages stehen wir alleine da, weil wir uns unter Wert verkauft haben anstatt uns zu verschenken an jemanden der uns braucht, anstatt uns zu gebrauchen. Dann schließen wir die Augen und wünschen uns Mehrwert. |
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43 | Kurz vor der Ausfahrt nicht abbiegen | |||
Vorschautext: Wo bunte Klingeln Namen tragen und Nachbarn sich nicht kennen, wo Rentner über Armut klagen und kleine Brüder flennen, weil Papa sie verdroschen hat, wo Wände bröckeln mit der Zeit und Chantal kriegt kein neues Kleid, da endet unsre schöne Stadt. |
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42 | Tout passe | |||
Vorschautext: Alles wird matt und vergeht. Etwas zerbricht und du gehst. Erkenntnis fällt herbstlaubgleich. Ich seh dir nach totenbleich. |
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41 | Suche | |||
Vorschautext: Wenn man einen Wutschrei in Worte fassen könnte oder einen echten Kuss oder eine Verzweiflungstat oder die Schönheit dieser Welt oder Ungerechtigkeit oder Leere oder all das, was mich ehrfurchtsvoll verstummen lässt, dann könnte ich ruhigen Gewissens sterben. |
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40 | Lampenfieber | |||
Vorschautext: Schreiendes Licht Grell stinkt Schweiß Zittern macht sich breit Nervenpogo |
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39 | Nichts sagen | |||
Vorschautext: Es ist nie einfach, um Verzeihung zu bitten, aber es war noch nie so schwer für mich. Sicherlich kommen die Worte nie fließenden Fußes, vor allem nicht die Echten, erst recht nicht die Weichen, die Zarten, Verletzlichen, aber ich kann versuchen, meinen letzen Mut zusammenzukratzen und dann will ich nichts sagen, dich einfach nur halten, das ist schwer genug. Ich will nichts sagen. Ich würde dennoch alles zugeben, mit meiner Haut und bebendem Herzen. Alles und dass ich dich brauche, dich und deine verständnisvolle Nachgiebigkeit, so weich. |
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38 | Stadtbild 1 | |||
Vorschautext: So viele Menschen und doch keine Menschlichkeit. So viel Zeit allein, so viel Einsamkeit. Die Luft schmeckt nach Frust und Asphalt. Trocken, kochend, aber kalt. Atme ohne Lust und doch. Und doch. Nie blüht der Flieder in dieser Stadt. Niemand wird dort jemals satt. |
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37 | Der Kolibri | |||
Vorschautext: Tanzt wieder Sanft erblühendes Lächeln Seine Flügel vertreiben Ängste Frühlingserwachen |
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36 | Interpretation eines Schweigens, Versuch1 | |||
Vorschautext: Vielleicht hab ich dir in die Seele geschnitten. Erinner ich dich an alten Schmerz? Hab ich dich zu tief erfasst? Fordere ich dich zu sehr heraus oder gar zu viel von dir? Macht dir das Angst? Fürchtest du die Art Schmerz, die du schon viel zu gut kennst? Oder ist es ganz anders und du bist nur zu kalt, zu abgebrüht und alt? Es gab eine Zeit, in der ich bei dir geborgen war, in der ich mir deiner sicher war, doch jetzt weiß ich gar nichts mehr. Unter Schicht um Schicht Selbstschutz versteckst du dich. Diese kaltherzige Härte zerbricht dich....Von innen bist du sicherlich schon ganz porös, doch du schweigst standhaft. Du verneigst dich vor niemand und du ich hab dich noch nie weinen gesehen. Dabei wär es so dringlich, um dich zu verstehen. Ich fürchte, ich begreif dich nicht. Du redest oft von anderen Frauen. Wehmut schmückt dein Angesicht. Ich würde sie so gern zerhauen. Immer, wenn es leise wird, wenn es sacht und zärtlich wird, wenn ich mich in dir auflöse, leise zart bei dir eindöse...Schweigst du mich in Staub und Schutt, reißt mir stumm die Haut kaputt. Weh bin ich und wund und feig. Du stiehlst mir stumm Gemeinsamkeit. Ich sehne mich nach deiner Zeit. |
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35 | Die Barmherzigkeit der Vertriebenen | |||
Vorschautext: Xenia Rajnor·Sonntag, 13. November 20164 Mal gelesen Während deine dunklen Augen noch vom Schmerz und der Angst, vom Verlust, vom Tod und vom Krieg erzählen, handeln deine Hände schon um den Schmerz und die Angst, den Verlust, den Tod und den Krieg in den Augen und den Köpfen, in den Erinnerungen und den Erfahrungen deiner neuen Mitmenschen in diesem fremden Land, ... |
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34 | prophylaxe | |||
Vorschautext: bevor ich an mir selbst ersticke bevor ich an mir selbst ersticke huste ich lieber worte aus kotze ich lieber worte aus stolpernde zittrige wütende kreischende wirrworte wolkenzarte irrworte winterharte und sehr nah und zu nah an dir an mir. |
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33 | Bastelkastenglück | |||
Vorschautext: Setz mich hier hin auf den Boden, wie ein Kind hebe ich Scherben auf und bastle daraus ein Mosaik. Ich heb Scherben auf, ich mach es mit wenig Geschick. Ich heb Scherben auf und kleb sie aneinander, Stück für Stück. Erinnerungsscherben aus guten Zeiten, aus schlechten Tagen, die mich begleiten. Ich hab keinen Grund, mich zu beklagen.Ich heb Scherben auf und verschlucke sie. Wie ein unwissendes Kind, fast ersticken sie mich. Da, ein Lächeln aus uralten Tagen. Ich kleb es an ein Bild von meiner kleinen Schwester. Es gibt keinen Grund, mich zu beklagen. Ich heb sie auf, die Scherben, und kleb sie wieder zusammen. Es ist ein Puzzlespiel, ich hab es nur noch nicht verstanden. Ich heb sie auf, die Scherben, und verkleb sie mit Tränen und Schweiß und Träumen und Ängsten und wenig Geschick. Es gibt keine Anleitug für meinen Bastelkasten, wie find ich den nur das Glück unter all diesen Scherben, verdammt, und ich find es einfach nicht, ich glaub, ich werd langsam verrückt. Nichts passt zusammen und ich hab nur wenig Geschick. Plötzlich schmeiß ich all die Scherben ganz einfach an die Wand. Nichts und niemand fügt sie jemals wieder richtig zusammen.Immer werden Male bleiben. Ich verstehe: Für mein Glück muss ich lernen, auf meinen Narben zu tanzen. |
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32 | Liebe und Angst | |||
Vorschautext: Xenia Rajnor·Samstag, 31. Dezember 2016 Die Vergangenheit ist vorbei, die Zukunft noch nicht geschehen, das heißt, alles was bleibt, ist der Moment. Die Gegenwart ist alles, was zählt und in diesem Moment zählt dein Atem, dein Schweiß auf meiner Haut, deine Tränen auf meinem Herzen und dein Schmerz in meiner Seele. Ich seh dich an und seh doch niemals tief genug. Du sprichst vom Schmerz und ich versteh doch niemals tief genug. Wir kommen niemals nah genug, nur bis zur Angst. Da ist sie, schleicht bedrohlich um uns herum, kriecht zu deinen Füßen wie ein Dutzend ungezähmter Ratten. Ich trete nach ihr, doch sie verschwindet nicht. Sie weicht uns aus, verhöhnt uns im Stillen, verborgen hinter den alltäglichen Geheimnissen, die doch eigentlich jeder hat, die doch eigentlich völlig legitim sind und doch allem im Wege stehen, was uns zu mehr machen würde als nur zwei ängstlichen Kreaturen in Nacht und Wermut, die sich voreinander verstecken und es nicht einmal bemerken. Wenn ich den Mut hätte, es mir genau anzusehen, würde ich mir eingestehen müssen, dass das Einzige, was in diesem Moment wirklich echt ist, die Angst ist, eben diese vor uns kümmerlich kauernde feige Monströsität, und die Unmöglichkeit, nach deiner Seele zu greifen, sie ganz zu berühren. Ich weiß es nicht, in diesem Moment, doch das Einzige, das uns voneinander trennt, das sind wir. |
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31 | Mangelhaft | |||
Vorschautext: Wir leben, ohne zu schmecken, lieben, ohne zu entdecken, weinen, ohne zu spüren, ficken, ohne einander zu berühren. Wir sehen, ohne zu sehen, reden,ohne zu verstehen, essen, ohne zu genießen, vertrauen, ohne die Augen zu schließen. ... |
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30 | Sein Drang nach Sicherheit | |||
Vorschautext: Er macht Sport und ernährt sich gesund, doch sicher ist es nicht, dass er wirklich nicht an einer seltenen, noch unentdeckten Krankheit leidet, ganz egal, was sein Arzt sagt. Er ist seiner Frau treu und schwört ihr täglich seine Liebe, doch sicher ist es nicht, dass sie ihn wirklich nicht eines Tages verlässt, ganz egal, was sie ihm verspricht. Er ist ein guter, fleißiger und freundlicher Angestellter ,doch sicher ist er sich nicht, dass er nicht eines Tages entlassen wird, ganz egal, wie oft sein Chef ihm versichert, dass er froh ist um so einen motivierten Mitarbeiter. Er erzieht seine Kinder liebevoll und deckt sie jeden Abend sanft zu, doch sicher ist es nicht, dass sie ihn nicht eines Tages vergessen werden, ganz egal, wie oft sie ihm ihre Zuneigung bekunden. ... |
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29 | Elfenbeinturm | |||
Vorschautext: Ich bin ritterlich gestrauchelt auf dem Weg zu dir. Ich weiß nicht mehr, weiß keine weiteren Wege mehr, weiß nicht mehr weiter. Der Weg ist selbst gedanklich zu gefährlich und schwer. Du beschwerst dich selbst innerlich, stopfst dich voll mit Edelsteinen in deinem Elfenbeinturm verbarrikadierst du dich, ignorierst die Welt um dich, ... |
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28 | Die Zeit | |||
Vorschautext: Die Zeit, getrieben von unserer unzufriedenen Ungeduld, unserem Drang nach mehr, rennt und rennt uns davon, sie rast. Wenn wir sie dann aus den Augen verloren haben und sie endlich Zeit hat, sich eine Atempause zu gönnen, haben wir keine Zeit mehr. Wir wundern uns. |
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27 | Die Mutter der Rastlosen | |||
Vorschautext: Heute Morgen bin ich aufgewacht. Es war kalt. Ich hab alle Fenster aufgemacht. Wild roch der Wald. Ich stand da und hab hinausgeschaut. Wie schön kann ein Morgen nur sein? An meinem Brötchen hab ich lustvoll gekaut, die Augen vom Schlaf noch ganz klein. In meinem Garten lag ein Mensch, eine Frau, die winkte mir fröhlich zu. ... |
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26 | Du strahlst | |||
Vorschautext: Dein Mund ruht in sich. Deine Augen lachen ganze Welten. In dir weht ein neuer Wind. Du dauerst an, wie ein ernster Diamant. |
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