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Gedichte Über Tränen - Seite 16


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Karfreitag

Am Anfang,
ganz am Anfang…
als das Universum noch Chaos war
und die Erde wüst und leer…

Als unvorstellbar war,
was Leben ist,
Hoffnung, Glück und Liebe auch.

Da sprach Gott sein Wort
Werde! Wachse! Lebe!

Und es wurde:
Das Leben, Entwicklung, gänzlich Neues.

Später dann…
In längst vergangenen Tagen bis heute …
Wenn Hass und Gier
Neid und Zorn und vieles mehr
Gedanken und Gefühle schwärzen…
Wenn Menschsein bis zur Unkenntlichkeit entstellt ...

Wenn unvorstellbar scheint
wie jemals wieder Zukunft wird,
sprach Er sein Wort:

Werde! Wachse! Lebe!
Und es wurde.

Nicht alles heil.
Nicht alles ungeschehen.
So manche Trümmer blieben in Herz und Seele liegen…

Ruinen berichten wie Krieg und Gewalt
einst Länder und Städte und Natur zerstörten.
Stumme Zeugen unfassbarer Not.

Doch: Zukunft kam.
Mit ihr die Zuversicht.
Und lernen, was dem Leben dient.

Karfreitag - das Kreuz spricht

in alles, was Menschen je an Leid und Not erleben:
es spricht von Tränen und Verzweiflung,
von Ohnmacht und Hilflosigkeit

Das Kreuz spricht
in den Wüsten …
den Lagern …
in den Wogen des Meeres …
den Ruinen …
zu uns…

Das Kreuz spricht
von menschlicher Zerbrechlichkeit
und Gottes Macht

Es bringt zusammen,
was Menschen nicht zusammenbringen können
Schuld und Vergebung
Gewalt und Frieden
Streit und Versöhnung …

Das Kreuz für dich
Das Kreuz für mich

Und Gott dabei,

Mitten in meinem Kreuz
ist Gott am Werk.
Schuld und Not und Trauer
haben nicht das letzte Wort
Sondern Er!

Wie damals
Wie am Anfang
ganz am Anfang
im Weltenwirrwarr
im Chaos, im Durcheinander

So spricht er im Kreuz
in den Ausweglosigkeiten des Lebens
in Tränen, Verzweiflung und Abgrund hinein:
„Es ist vollbracht“

Lebenswort für dich und mich
Und jeden Menschen dieser Erde:
„Es ist vollbracht“
„Ich nehme dir ab,
was zu schwer für dich zum Tragen ist.“
Damit Du nicht unter deiner Last zusammenbrichst.
Damit du aufstehen kannst,
und die Welt in den Blick nehmen
und neu das Licht am Horizont entdeckst.

Immer wieder spricht er es neu
Das Lebenswort:
Im Feuer des Dornbuschs …
Im Herzpochen der Emmausjünger …
Durch die Geschichte
Leuchtspuren Seines Wortes
bis heute …

Das Kreuz bringt Gottes Schöpfungswort:
mit allem zusammen, was wir je erfahren:
Helles und Dunkles
Leichtes und Schweres
Freuden- und Kummertränen
Ohnmacht und Macht

Aus all dem ist das Leben gemacht:
dein Leben
Es gehört zu dir.

Du kannst es annehmen.
Du bist nicht allein.
Jesu Kreuz trägt.
Sein Wort ermutigt.
Ohnmacht bleibt nicht ohne Macht
Verzweiflung bleibt nicht ohne Mut
Zerbrechlichkeit bleibt nicht ohne Stärke

Und dann gehst Du los
mit dem Kreuz im Rücken

und siehst das Leben neu:
siehst die Menschen, die um dich herum sind
spürst die Hand um deine Schultern
hörst die liebevollen Worte.

Und Du denkst:
Ja, so kann das Leben wieder werden …
Mit dem Kreuz ordnet sich alles neu …
Bittersüß.
Karfreitag.
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Hallelujah

Auf wunden und wackligen Kabenfüssen schlugen sie mich eisig durch die viel zu engen, verwinkelten Gassen der versteinerten Vernunft. Sie falteten scheinheilig ihre Hände und predigten das "Hallelujah", schmissen Öl und Myrrhe vom drohenden Berg Golgatha. Sie trieben mir stumpfe Keile und rostige Ketten in die Gehirngänge, das Lebendige sollte stocken, sie kreuzigten mich mit kaltgepresster Gottesfürchtigkeit, schlugen mich mit gnadenlosem Arbeitszwang und segneten mich mit Hungertuch und Peitsche. Ihre Herzlosigkeit war grenzenlos, mein Futterneid sollte mich so verdient nötigen, dass selbst hungernde Kinder aus der dritten Welt sich noch satter zu fühlen wussten. Sie spielten Adam und Eva, nackt und unschuldig auf der Heide. Sie beschmierten mein waches und hoffnungfrohes Sonnengesicht mit Fäkalien und verhöhnten mich im verwunschenen Garten Eden, am wunderschönen Sommertag. Sie zwangen mich mit bösem Blick, dreimal verleugte ich mich selbst vor der viel zu nasenweisen, in die Jahre gekommenen Nachbarin, die alles genau zu bezeugen wusste. Bittere Stunden, ein verträumtes und geordnetes Tausend-Seelen-Dorf, das sich in schwäbischer Sparsamkeit und demütiger Gemütlichkeit gesund aalte, das zu jeder Gelegenheit und Jahreszeit sich selbst zu feiern, die unpassende Leerzeile des Lebens geschickt ignorieren oder gekonnt zu löschen wusste. Meine Träume verwandelten sich in millionenfache Splitterscherben der Verzweiflung, diese trieben sie mir bewusst und gezielt ins innere Auge, ins Mark, ins arme Herz.

Sie nannten es Kindheit, ich färbte den Schnee , mal rot, mal schmolz er. Im Haus der geraubten Seelen fragten sie mich fadenscheinig nach meiner Lieblingsfarbe. Ob ich wüsste, wer mir die Augen verbunden hätte und wer mich zeugte? Ob ich wüsste, dass meine Mutter eine Hure sei und Gott mein Vater? Meine Zunge gefror, während ich unter den verlassenen Fichten im Tal suchte, als ob ich es wirklich ernst meinen könnte. Doch ich hatte weder mich noch das Licht verloren. Rechtlos, ich wurde nie liebevoll empfangen oder herzlich gefunden, ich war in mir selbst gefangen, in der Erbsünde. Weder unter den schwarzen Schatten, noch unter den Sensen in der Gerätekammer, wo sie mich als Strafe für Stunden einsperrten, nirgends fand sich mir ein warmer Blick der Zuwendung. Mir war klar, das Sehen mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen war schlichtweg unerwünscht und strikt verboten. Ein moderner Sklave, ein Sklavenkind. Von Beginn an wollte ich flüchten, weit weg. Es blieb beim hilflosen Wunsch, bei Ohnmacht und Wut, einem nie endenden, schrillen Fluch, der sich ins fremdelnde Meer stürzte, versammelt, zu all den verlassenen, untergegangenen Wellen. Niemand hatte mich geliebt oder war dazu geneigt. Ich wusste auch nicht wer die Liebe erfunden hätte. Mir war es ein Rätsel, warum es bei allen anderen Mitmenschen anscheinend so reibungslos funktionierte. Ein dunkles Stück Leben im Schattenblick der Sonne. Es türmte sich Schmerz, höher und höher die Klagemauer, die Lieder verschroben ins Innere gedrängt, noch sprachloser die vergilbten Sterne am Himmel gaffend, der Wind blies nach Lust und Laune ins Strohfeuer, von allen Seiten, es gab kein Entrinnen. Ich kannte genau die Lichtquellen, den Übergang des Schattens von dunkel zu hell.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Mein abschliessbares Tagebuch lag eines Morgens gewaltsam geöffnet auf dem Tisch, meine Geheimnisse weinten entweiht über das verhasste Tischtuch, mir stockte der Atem über soviel Wahn. Sie nannten sich Vater und Mutter. Von da an schrieb ich nie wieder..




© Marcel Strömer
[Magdeburg, den 06.05.2019]


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