Gedichte über das Naturreich (Seite 59)

Der letzte Kuss

Regen fällt im Januar
vor schmutzig-trüben Scheiben.
Der Schneemann war zum letzten mal
zu Gast, er kann nicht bleiben.
Wir liefen einst in stiller Nacht
auf glitzernd weißen Straßen,
die Schlittschuhbahn wo Unbeschwertheit
lachte - jetzt verlassen.
Ein Mann brach ein im Eis des Sees.
Ein warmer Sturm tobte im Park.
Sein Schrei ging unter im Getös'.
Ein Fisch war bei ihm als er starb.

Regen fällt im Januar
am Bergmassiv auf blanke Felsen.
Palmen wiegen sich im Tal
wo Möwen mit Flamingos stelzen.
Das Hotel ist feucht, steht leer,
und in den Zimmern wachsen Moose.
Am Empfang liegt faul ein Bär,
doch vom Portier nur noch die Hose.
Aus den Fluten brauner Flüsse
schauen Kirchturmspitzen raus.
Am Äquator schwarze Wüsten...
der Mensch - bedrohte Art - stirbt aus.

Regen fällt im Januar
durch zerbrochene Scheiben.
Der Schneemann war schon lange nicht
zu Gast, und so wird's bleiben.
Jetzt geht's hinaus zu den Planeten,
zu neuen Welten bläst das Horn.
Doch wo auch immer wir betreten
die nächste, es beginnt von vorn.
Ein letzter Kuss, Mütterchen Erde,
unser Verstand ist messerscharf.
Tief haben wir in dich gestochen -
ein letzter Kuss, nun schlaf.

Alle Jahre wieder

Wald und Wiesen sind bedeckt
Schneewolken am Himmel stehn
Unter weißer Decke versteckt
Grünes kaum noch ist zu sehn

Schneekristalle zwinkern mir zu
Gipfel thronen im weißen Kleid
Die im Walde himmlische Ruh
paradiesischen Hauch verleiht

Leise pfeift der Wind sein Lied
Schneeflocken tanzen hernieder
Winter mich im Banne zieht
alle Jahre wieder

Der Winter hat sich aus dem Staub gemacht

Der Winter hat sich aus dem Staub gemacht
entzieht uns seine weiße Pracht
Er hat uns einfach sitzen lassen
wer hat ihn dieses Jahr entlassen

Hat ihn der Frühling schon verdrängt
oder kommt er zurück mit einem Geschenk
Vielleicht wurde er ferngelenkt
ob sich da jemand einen Scherz ausdenkt?

Nein, nein, die Schuldigen daran sind wir
nicht die Natur, auch nicht das Tier
Schon immer wollte der Mensch profitieren
die Schuld stets nur auf andere schieben

Jetzt wacht er auf, ein bisschen spät
wer weiß schon, wie es weitergeht
Ob er Mutter Erde noch retten kann
erfahren wir in Zukunft irgendwann

Wetterkapriolen

Der Tag, der jetzt noch wundervoll
gebärdet sich alsbald wie toll.
Schlägt dir der Regen ins Gesicht,
macht schnell sich rar, das Tageslicht!
Die Kälte frisst sich in die Haut.
wer weiß, was sich zusammenbraut?

Der Wind peitscht vor sich hin, den Regen
scheint die Erde fast zu beben,
drohen sich Blitze zu entladen,
geht hart den Tag es an den Kragen!
Der Tag, er scheint zur Nacht zu werden:
So, als wollte dieser sterben!

Die Natur, sie bäumt sich auf,
setzt ständig wieder einen drauf.
Donnergrollen, Nebelschwaden,
Blitzgewitter sich entladen!
Die Natur als Freilichtbühne
kreativ und selten müde.

Von Zeit und Wind getrieben

Weit draußen überm Horizont
zwei helle Wölkchen ziehen,
der Form nach, wie zwei Herzen,
ganz flauschig weich, mit Fransen dran.

Und dann - am Himmel seh' ich schon
ein einz'ges Herz dort schweben,
von Zeit und Wind getrieben,
recht schön und prächtig anzuschaun.

Vom wilden Sturmwind arg zerzaust,
was ist davon geblieben?
Nur Wolkenfetzen seh' ich noch,
vom Lauf der Zeit zerrieben.

Gedichte über das Naturreich - Seite 59

Der letzte Kuss

Alle Jahre wieder

Der Winter hat sich aus dem Staub gemacht

Wetterkapriolen

Von Zeit und Wind getrieben