Wenn Schuld nur ein Schutz ist
Ein Gedicht von
Stay Strong
Ich glaube, ich habe mir selbst die Schuld gegeben,
weil das der einzige Weg war, irgendwie Sinn in das zu bringen,
was passiert ist.
Wenn ich mir sage, dass ich etwas falsch gemacht habe,
fühlt es sich wenigstens so an,
als hätte ich damals eine Wahl gehabt.
Dann war ich nicht völlig ausgeliefert.
Dann konnte ich glauben,
ich hätte irgendwie Kontrolle gehabt.
Aber wenn ich ehrlich bin,
spüre ich darunter diese tiefe Ohnmacht.
Dieses Gefühl, dass ich nichts hätte tun können.
Und das ist fast unerträglich.
Dann kommt diese Leere,
dieses innere „Nein, das stimmt nicht“,
und dieses körperliche Unwohlsein,
das sich überall ausbreitet
als würde mein ganzer Körper sich dagegen wehren,
diese Wahrheit wirklich zuzulassen.
Manchmal zieht sich alles in mir zusammen,
als wollte ich mich vor etwas schützen,
das längst vorbei ist.
Mein Atem wird flach,
mein Brustkorb eng,
und ich merke,
wie sehr mein Körper sich erinnert,
auch wenn mein Kopf längst weitergehen will.
Ich glaube, der Teil in mir,
der an der Schuld festhält,
versucht, mich zu schützen.
Er will mich in Bewegung halten,
weil Stillstand bedeuten würde,
mich dem Schmerz und der Hilflosigkeit wirklich zu stellen.
Er meint es gut.
Aber er hält mich auch fest
in einer falschen Verantwortung.
Er lässt mich glauben,
ich könnte rückwirkend noch etwas verändern,
wenn ich nur genug Schuld auf mich nehme.
Aber das kann ich nicht.
Langsam beginne ich zu verstehen,
dass die Schuld gar nicht zu mir gehört.
Dass sie eigentlich dort liegt,
wo jemand entschieden hat, mir etwas anzutun.
Ich weiß noch nicht, wie es sich anfühlt,
das wirklich zu glauben.
Noch nicht.
Aber manchmal,
für einen kurzen Moment,
spüre ich etwas wie Stille unter allem.
Etwas Weiches.
Etwas, das sagt:
Vielleicht darfst du aufhören, dich zu verteidigen.
Und dann ahne ich,
dass sich etwas verändern würde,
wenn ich die Schuld wirklich loslasse.
Vielleicht würde Raum entstehen
für Trauer,
für Mitgefühl mit mir selbst,
für dieses tiefe, stille Wissen,
dass ich nie die Schuldige war.
Noch kann ich das nicht ganz halten.
Aber ich merke,
dass ich mich langsam in diese Richtung bewege.
Und dass dieser Gedanke
so weh er tut
irgendwo tief in mir
nach Erleichterung klingt.
Es ist ein langsames, leises Entfalten.
Ein Nachhausekommen in etwas,
das schon immer da war,
aber unter all dem „Ich hätte anders handeln sollen“ verschüttet lag.
Und vielleicht geht es am Ende gar nicht darum,
dem Täter Schuld zu geben.
Sondern darum,
mir selbst die Unschuld zurückzugeben.
Ich wünsche mir, dass ich mir selbst wieder näherkomme.
Dass ich eines Tages stehe, so wie ich bin.
Nicht als Opfer, nicht als Schuldige
sondern einfach als ich selbst.
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