Regentanz

Ein Gedicht von Lothar Schwalm
Draußen ist es dunkel,
Wolken verdecken die warme Frühlingssonne.
Erste Tropfen bahnen sich
ihren kurzen Weg in die Freiheit
und legen nur wenige hundert Meter
von den Wolken abwärts zurück,
bevor sie auf den Erdboden fallen
und mit ungeheurer Kraft zerplatzen.
Der Seelenregen hat begonnen
und scheint die Erde mit frischer Feuchtigkeit
zu versorgen.
Alles lebt auf, benetzt meinen Atem,
ich atme ein, atme aus, ich atme auf,
sauge die frische, feuchte Luft in meine Lungen.
Ich denke noch, wie schön es wäre,
jetzt nackt im warmen Regen zu stehen
und eine natürliche Dusche zu nehmen,
dann schließe ich die Augen,
lasse mich vom rhythmischen Trommeln
der Regentropfen davon tragen.
Der Regen regnet,
Trommeln trommeln Trommelklänge,
ich schwebe davon.
Marienkäfer tanzen Regentänze,
beschwören friedvoll den Gott des Wassers.
Dunstwolken verdampfen im Jenseits.
Ameisen feiern die Wasserspenden des Himmels.
Blumen schwenken ihre Köpfe im Takt.
Alles bebt vor Freude.
Erdlöcher erden sich.
Seen sehen in die Zukunft,
der Himmel ist Wasser – blau,
Zeremonien zermürben den Gott der Trockenheit,
auch Dürren dauern nicht ewig.
Regenwürmer formen sich zu Regenbögen
und nehmen alle Farben an.
Die Welt ist bunt, schwarz-weiß hat ausgedient.
Regenbögen geben ihre Krümmung auf
und wandern durch den Himmel
wie Regenwürmer durch die Erde.
Oben und Unten sind aufgehoben,
genauso wie Links und Rechts,
Westen und Osten.
Tulpen und andere Blumen füllen ihre Kelche
mit dem kostbaren Nass,
tanken das pure Leben.
Die Sonne schickt einige Strahlen durch die Wolken,
und sorgt für neue Regenbögen.
Regenwürmer freuen sich über ihre
farbigen Verwandten am Himmel
und reihen sich in die Tänze
der Marienkäfer ein.
Die Sonne lacht und ihr breites Grinsen
verbreitet gute Stimmung.
Allmählich verziehen sich die Wolken,
der Himmel klart auf,
ich tanze nicht mehr nackt im Regen,
lasse meinen schönen Körper
von der Sonne trocknen,
und auch die Marienkäfer und Regenwürmer
haben ihre Rituale beendet.
Die Erde dampft,
Nebelschwaden nebeln die Erde ein.
Vulkanlandschaften erinnern an den Mond.
Kleine Krater dampfen, was das Zeug hält.
Kröten und andere Kriechtiere
kreuzen die Wege von Kreuzottern.
Unken unken allen Unkenrufen zum Trotz
trotzdem herum.
„Was macht’s?“ denke ich, die Sonne lacht
und ich bebe, bebe vor Glück…
und freue mich schon jetzt
auf den nächsten Regentanz,
eine Zeit, in der das Leben auf der Erde
neues Leben gebärt…


ls02052009

Informationen zum Gedicht: Regentanz

2.398 mal gelesen
-
24.07.2011
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige