Geschockt

Ein Gedicht von Waltraud Dechantsreiter
Er steht im Treppenhaus an der Wand,
blass und zitternd,
die Aktentasche noch in der Hand.
Was er gerade, in seiner Wohnung gesehen,
kann er nicht verstehen.

Sie liebten sich im ehelichen Bett,
seine Frau und der Nachbar.
Dieses Bild, unauslöschbar.
Die Situation für ihn unfassbar,
die Lustschreie seiner Frau, noch gut hörbar.

Sie sagte Worte,
von der ordinärsten Sorte.
Der Nachbar machte Sachen,
das würde er, nie machen.
Schamröte stieg ihm ins Gesicht,
dachte er,
an ihr lustverzerrtes Gesicht.

Er war geschockt,
musste raus, raus aus dem Haus.
Wollte sie nie wieder sehen,
diesen Vertrauensbruch konnte
und wird er nie verstehen.

Er sah sie erst bei der Scheidung wieder,
mit ihrem gewölbten Bauch
und an ihr, den Zigarettenrauch,
roch er auch.
Und es klang wie triefender Hohn,
als sie sagte,
es wird dein heiß ersehnter Sohn.

Er war geschockt!
Sieht noch immer den Liebesakt,
so hemmungslos, so nackt.
Ist wie in Trance
und träumt heute noch davon.

Und ist geschockt!

Informationen zum Gedicht: Geschockt

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01.09.2013
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