Einst und jetzt

Ein Gedicht von Christoph Hartlieb
….Wer älter wird, bemerkt zu Recht:
Die Welt, in der er lebt, ist schlecht,
beängstigend, indiskutabel,
ein Saustall und ein Sündenbabel.
….Dies plagt und trifft ihn umso schlimmer,
denn so verhielt es sich nicht immer.
Als er noch jung war, schön und jung,
voll Tatkraft und Begeisterung,
da zeigte es sich nämlich klar,
dass damals alles besser war,
einst, früher, in der Jugendzeit.
und goldenen Vergangenheit,
noch unberührt von der Moderne,
in unerreichbar weiter Ferne
im kleinen Häuschen auf dem Land.
Ganz nah ein Bach am Waldesrand.
Forsythien blühn im Sonnenschein,
Wind aus dem Süden, mild und rein;
stolz und zufrieden kräht der Hahn,
nachdem er seine Pflicht getan.
Die Henne freut sich ebenso
und pickt sich einen leckren Floh,
Faul liegt der Hund am Gartentor
und kratz sich hinter´m linken Ohr.
Die Schwalben turnen durch die Luft,
es mischt sich Stall- und Blütenduft.
Bei dem Idyll darf auch nicht fehlen
Großmutter beim Kartoffelschälen,
wenn sie dem Huhn, schon reichlich ledern,
entrupft hat die verblieb´nen Federn,
wonach sie nicht mit Knoblauch spart
und alles auf dem Holzherd gart.
Das gab nicht nur genügend Kraft,
es schmeckte auch noch fabelhaft.
im stillen heimatlichen Tal.
Dies ist vorbei, es war einmal.
…Jetzt aber weht ein rauher Wind,
jetzt zeigt sich, wie die Menschen sind:
Halunken, Schufte, Bösewichter,
gemeingefährliches Gelichter,
Hochstapler, Gauner, Scharlatane,
Schaumschläger, Sauf- und Spielkumpane,
gewohnheitskriminelle Strolche,
Triebtäter, Rohlinge und solche,
die faul sind, nichts tun, Däumchen drehn
am Bahnhof sitzen oder stehn,
mit irgendwelchen Hunden spielen,
sich Drogen spritzen, saufen, dealen,
krank feiern, faulenzen, schmarotzen,
dabei halbnackten Fraun nachglotzen,
die über blöde Witze lachen
und selbst noch dümmre Witze machen,
Nichtsnutze, Taugenichtse, Flaschen,
teils primitiv, teils ungewaschen,
von jenen Schurken abgesehn,
die oben an der Spitze stehn,
nackt in der Nacht, jedoch an Tagen
versehn mit einem weißen Kragen,
der auf den ersten Blick bescheinigt,
sie sei´n auch innerlich gereinigt.
Silesio

Informationen zum Gedicht: Einst und jetzt

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31.12.2022
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Christoph Hartlieb) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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