Weißt Du noch?

Ein Gedicht von Georg Babioch
Weißt du noch, wie wir an niederländischen Grachten,
bei windigen Böen, spazieren gingen,
Wie du Stimmen aus einer Entfernung hörtest, von Kindern, Kinderstimmen, und sagtest: "Sie singen ...
Singen deine Verse schon, im herbstlichen Abendwind;
Denn es ist nur ein Kind, nur ein Kind.

Weißt Du, wie wir im herbstlichen Abendwind die Schiffe bestaunten,
Jene, welche sie in Hamburg und in Rotterdam erbauten.
Weißt du noch, wie sehr fragend du mich angeblickt hast,
Welcher Werte sie wohl inne seien, ihrer Tragelast.

Weißt Du, wie wir des Nachts bei vollem Mondeschein am Friedhof wandelten;
Und du und ich, während wir uns küßten, unentwegt verhandelten;
Unentwegt mit unseren Nachkommen, bald
Sagten wir uns, sind sie schon über zehn Jahre alt.

Weißt Du, wie wir über Felder und Wiesen lungerten.
Wir stolzierten zwei Tage durch die Natur, währenddessen schon unsere Mägen hungerten.
Ich gab dir einen Stoß, du weißt es doch noch,
So zärtlich - ich erinnere mich, daß ich an Deinem Ohrläppchen roch.

Weißt du, wie wir gemeinsam über Seen und Meere schwimmen wollten.
Du führtest deine Creme mit, Sonnencreme, denn wir sollten
Deiner Meinung nach in der Sonne nicht verbrennen;
Selbst dann nicht, wenn unsere Augen vor Glück würden flennen.

Weißt Du, wie leicht du erzürnet bist;
Ich habe stets versucht, Dich mit aller Kunst und List
Zu bändigen, aber auch zu hofieren,
Deine Launen mit Glück und Freiheit einzuschmieren.

Weißt du noch, wie leicht du durch die Winde geeilt,
Der zeiträumlichen Gesetze sind wir damals längstens enteilt.
Nichts von alledem an Trauer und Lasten in uns; denn es weilte
Lediglich ein Hauch an Liebe, an welche du mich und ich dich anseilte.

Informationen zum Gedicht: Weißt Du noch?

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17.07.2012
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