Missglückte Dichtkunst eines "Vampirs"

Ein Gedicht von Ingrid Baumgart-Fütterer
-Fiktion -

Kurz vor Mitternacht kleidet sich der Dichter
von Kopf bis Fuß in Schwarz,
pudert sich Leichenblässe ins Gesicht,
trinkt Rotwein, angedickt mit Himbeergelee.
Seine Hände badet er in Kunstblut,
verlängert Eckzähne mit Vampirzähnen,
öffnet die Fensterflügel, damit
Mondlicht das Zimmer durchflutet ,
das schaurig klingende „Huu-hu-huhu“
der Waldkäuzchen an sein Ohr dringt
und er Fledermäuse vorbeiflattern sieht.
Er zündet 12 schwarze Stabkerzen an,
steigt in den schwarzen Sarg mit der
schwarzen Innenauskleidung aus Seide.
Er nimmt sein Diktaphone zur Hand,
wartet auf göttliche Eingebungen,
die er zeitgleich ins Gerät diktiert,
bis inspirativer Gedankenfluss versiegt.
Dann setzt er sich an den Schreibtisch,
konstruiert daraus Gedichte, deren Struktur
er einbettet in das marode Flair
einer halbverfallenen Grabesstätte,
vom Odem des Todes umweht.
Unermüdlich taucht er seinen Federkiel
in blutrote Tinte, die Gedichte
und Büttenpapier besprenkelt.
Mit dem ersten Hahnenschrei
geht er zur Normalität über,
schminkt sich ab, trägt Alltagskleidung.

Manche seiner Gedichte lassen Lesern
das Blut in den Adern gefrieren,
andere Gedichte dagegen muten
ziemlich blutleer an, vor allem jene,
die gegen Morgengrauen entstanden.

Informationen zum Gedicht: Missglückte Dichtkunst eines "Vampirs"

13 mal gelesen
20.12.2025
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Baumgart-Fütterer) für private und kommerzielle Zwecke frei verwendet werden.
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