Giraffenohr mit Sauerkraut

Ein Gedicht von Heinz Säring
Es war neunzehnhundertundachzig
zur Leipziger Messe im Herbst.
Ein Ami sprach: "Ostdeutschland macht sich!"
zu Peter, dem Kellner aus Zerbst.
Der Kellner: "Wir haben den Willen,
dem Gast jeden Wunsch zu erfüllen!"

Der Amerikaner drauf spricht:
"Das glaube ich trotzdem noch nicht!"
Der Kellner, sein Ansehn zu retten,
spricht: "Bitte, wir können ja wetten:
Bestell was zum Mittag für morgen,
wir werden dir alles besorgen!"

Sie wetten um dreihundert Mark.
Der Ami: "Wenn's klappt, seid ihr stark!"
Bestellt sich das Ohr 'ner Giraffe,
(der Kellner denkt, ob ich das schaffe?)
dazu Salzkartoffeln und Kohl,
"ja, Sauerkraut sagt man hier wohl?"

Die Restzeit vertreibt er sich froh,
ganz zufällig kommt er zum Zoo,
entdeckt beim Betrachten von Tieren,
die Wette, die wird er verlieren:
'ne große Giraffe da stand,
am Kopf einen frischen Verband!

Er sagt sich - und fühlt sich ganz klein -,
die dreihundert Mark büß ich ein!
Im Interhotel nächsten Mittag
ein feines Gedeck auf dem Tisch lag.
Der Ami: "Du hast mein Gericht!"
Der Kellner mit trüben Gesicht:

"Ich glaubte, ich könnt' dich besiegen,
ich hatt' mich schon so sehr gefreut!
Giraffenohr konnten wir kriegen,
doch gibt es kein Sauerkraut heut!"

Informationen zum Gedicht: Giraffenohr mit Sauerkraut

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30.07.2011
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