Entwaffnung

Ein Gedicht von Friedrich Graf
Entwaffnung
(gegen jeden Krieg - aktuell Ukraine)

Als ich neulich bei der Mutter
meines toten Bruders war,
sah ich rund um ihren Scheitel
durch viel Gram ergrautes Haar.
Und im Antlitz, das mein Vater
einstmals engelgleich genannt,
sah ich wie der Pflug der Trauer
alle Glätte überwand.

Zaghaft trat sie, Hände zitternd,
dicke Tränen im Gesicht,
vor mich hin und sprach nur dieses:
„Nein, mein Sohn, das darfst du nicht!“
Und sie knöpfte voller Güte
mir den Uniformrock auf,
und entwand mir Dolch und Stahlhelm,
und auch meinen Stolz darauf.

Mein Patriotismus fiel zu Boden,
und mein Blick ging hin zur Wand,
ich sah schwarz umflorte Bilder:
„Gefallen für das Vaterland“.
Das linke Bild, das war mein Bruder,
mein Vater hing gleich nebenan,
doch rechts da war noch eine Lücke, - -
- zum Glück, mein Bild stand unten dran.

Da fühlte ich wie meine Mutter
ein grobes Linnen um mich schlug:
es war das Hemd des toten Vaters,
das er bei Feldarbeiten trug.
Ich rang die Kriegslust in mir nieder
und wurde Pazifisten-Star. - - -
- - - Und als ich mich voll Tatkraft streckte,
sah ich wie Mama glücklich war.
****

(© Friedrich Graf)

Informationen zum Gedicht: Entwaffnung

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04.02.2015
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Friedrich Graf) für private und kommerzielle Zwecke frei verwendet werden.
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