Liebe oder Prüfungsmuster
            
            
            
                Nicht nur in Operetten und Filmen wachsen 
die allerschönsten Frauen im Lande Sachsen. 
Will man so eine attraktive Frau begehren, 
muss man sie doch erst einmal verehren,  
muss ihr täglich erst rote Rosen bringen 
und dann unter ihrem Fenster singen.
Wie es sich geziemt für Herzensdiebe, 
habe auch ich dort eine heimliche Liebe. 
Ihren Namen werde ich nicht nennen, 
weil sie dort doch schon alle kennen. 
Da meine Verehrung ehrlich und tief, 
schrieb ich ihr einen Liebesbrief. 
 
Mit viel Herzblut, Pfeffer und Salz  
und vielleicht mit sehr viel Schmalz. 
Ich wollte mich doch nicht blamieren 
und mit der Hand die Zeilen schmieren, 
also ließ ich den Computer zucken, 
und zwei Seiten in Schönschrift drucken. 
Der PC nicht zu den Neuesten zählt, 
weil ihm die Rechtschreibung fehlt. 
Datum, Ort und Unterschrift sodann 
und drei Tropfen „Für den Mann“. 
Eingebrieft und mit Marke versehen, 
durften die Zeilen auf Reisen gehen. 
Acht Tage schlich ich erwartungsvoll, 
vor Liebe mir der Kamm schon schwoll. 
Eines Tages beim Treppe flitzen 
sah ich es dann im Kasten blitzen. 
Ich glaubte nicht, was ich da sah 
und war dem Herzinfarkt fast nah. 
Ein Brief mit Impressum und Stempel 
aus des Landes höchstem Tempel. 
Ich riss ihn auf, so gut es ging 
und las: „Werter Herr Schreiberling, 
ihr Musterbrief ist große Klasse 
und vertritt die breite Masse. 
Deshalb wird er zurzeit vervielfacht 
für den Ortografietest der Klassen acht. 
Und auch vieles dafür munter spricht, 
als Nutzung für den Sexualkundeunterricht.“
Nach Grüßen, Unterschrift und Blablabla 
wurde interessant was ich noch sah. 
Auf der Rückseite, wo Platz verblieben, 
stand mit stolzer Hand geschrieben: 
„Wer mich kennt, der weiß genau, 
ich bin eine sehr konservative Frau. 
Drum darf mich nur der eine lieben, 
der mir damals handschriftlich geschrieben.“
13.03.2015 © Wolf-Rüdiger Guthmann