Ehren und Lieben

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Im Kalender steht, damit ihr’ s wisst,
dass heute Totensonntag ist.
Viel mehr Leute sind dabei,
als an einem Feiertag im Mai.
Mit Blumensträußen in der Hand
ziehen Besucher durch das Land.
Suchen, wo sie doch geblieben,
die Verstorbenen, die sie lieben.

Oma, Opa, Mutter, Vater,
neuerdings auch Hund und Kater.
Nachbarn, Brüder, Onkel, Tanten,
und dann ganz entfernte Verwandten.
Und niemand kann die Trauer mindern,
sucht man bei den Sternenkindern.
Zukunft, die einst ging verloren,
noch ehe sie in die Gegenwart geboren.

Staunen, zeigen und erwähnen,
doch man sieht auch stille Tränen.
Familiengräber, Urnenfelder,
je nach Erbe und Sterbegelder.
Grüne Wiese, Name anonym,
Grüfte, die die Neugier zieh’ n.
Und wie es im Buch steht geschrieben,
kann man hier auch seine Feinde lieben.

Las man, was am Eingang steht,
nimmt man teil am Feiertagsgebet.
Meist treffen sich dann alle
beim Pfarrer in der Feierhalle.
Der Prediger lobt die, die kamen
und erwähnt manches Verstorbenen Namen.
Er mahnt uns, zu ehren und zu lieben,
was uns noch in Erinnerung geblieben.

Auf dem Heimweg werden Gräber studiert
und neue Erkenntnisse diskutiert.
Selbst das Wetter war wunderbar,
drum kommen wir wieder, im nächsten Jahr.

20.11.2016 © W.R.Guthmann

Informationen zum Gedicht: Ehren und Lieben

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19.11.2016
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