Die Slips

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Meine Freundin sagte neulich:
„Deine Buchsen sind ja gräulich,
von vorn seh’ n sie verwaschen aus
und unten fällt schon alles raus.“
Das darf sie nicht zwei mal sagen,
ab morgen wollte ich neue tragen.

Also lief ich in der Mittagspause
in’ s Bekleidungskaufhaus Krause.
Eine junge Frau mit flinken Händen
fragte ich, wo sie sich befänden.
„Oh“ meinte sie, „auf unserem Gelände
gibt es dafür sogar dreierlei Stände.

Einer für die angedickten,
gefütterten, selbstgestrickten.
Einer für die ganz normalen,
dünnen, kurzen oder schmalen.
Auch für sportliche Männer,
meist in Schwarz als Frauenkenner.“

Und als dritten und letzten Stand
sich dort auch ein Erotik-Shop befand.
Also eilte ich zum ersten Stand,
wo mir Opa’ s Wäsche bekannt.
Man muss sich doch beizeiten
auf strenge Winter vorbereiten.

Fährt Gabi mit mir nach Davos,
brauch ich manche warme Hos.
Deshalb wollte ich ganz schnell
zwei lange Unterhosen auf der Stell.
Doch so einfach ist das nicht,
ich ward befragt, wie vor Gericht.

Welche Farbe mir denn gefällt
und welches Material länger hält.
Soll die Farbe uni oder bunt,
der Eingriff schräg, gerade, rund?
Mit Laschen für die Hosenträger
jeglichen Militärs und der Jäger.

Den Unterbauch und Oberbauch
unterscheidet man dort auch.
Ich schaute mir alles sorgsam an
und entschied mich schließlich dann.
Lange weiße Hosen Größe sechs
angeraut mit dem Eingriff rechts.

Am nächsten Unterwäschemodestand
sich schon manch Model befand.
Junge Männer mit Waschbrettleibern
waren umschwärmt von jungen Weibern.
Eine rief: „Hier dies Modell
entzöge ich dir auf der Stell.“

Was die Frauen bringt in Marsch,
ist auch gut für meinen Hintern.
Wenig Stoff, da schwitzt man nur,
viel nackte Haut ist heut Kultur.
Also kaufte ich in schwarz und weiß,
wobei unterschiedlich war der Preis.

Nur jetzt noch bei dem dritten Stand
unauffällig dran vorbei gerannt.
Doch da konnte ich Dinge sehen,
die ließen mich ganz einfach stehen.
Die Unterwäsche war ein Witz,
ein Bändchen oft mit einem Schlitz.

Zur Freude voyeuristischer Ritter
gab es sogar ein Gefängnisgitter.
Wie ein Keuschheitsgürtel mit Schloss
für des lieben Mannes Schoß.
Vielleicht als Vorgabe aus Brüssel
hatte ein Slip einen langen Rüssel.

Denn, seit europaweit genormt,
wird Europas Weite geformt.
Slips mit Radio und Beleuchtung
sicher auch nachtaktiv mit Befeuchtung.
Ich kaufte von jedem ein Exemplar,
für meine wilde Kollegenschar.
Sie sollen sich an Europa gewöhnen
und später auch europäisch stöhnen.

13.08.2013 © Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Die Slips

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13.08.2013
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