Die Rasur

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Zwei Tage war ich zu den Messen
und hatte doch mein Rasierzeug vergessen.
Morgens bin ich schnell gelaufen,
um mir neues Bartwerkzeug zu kaufen.
Im Shop fiel die Entscheidung schwer,
muss Nass- oder Trockentechnik her.

Die Verkäuferin sah meine Stoppeln,
und begann ganz leise zu koppeln:
"Für sie ist das doch kein Malheur,
gehen sie da drüben zum Friseur.
So ein Barbier muss es doch können,
die Haare von der Haut zu trennen."

Dankend machte ich mich auf die Socken
und schon gellten des Meisters Glocken.
Ein hübsches junges tätowiertes Ding
mich freundlich an der Tür empfing.
Sie bat mich zu dem Drehstuhl dann,
ihr Ausschnitt zog die Blicke an.

Sie hat mit Umhang mich bestückt,
sofort Schere und Kamm gezückt.
Da musste ich sie doch stören
und ihr meinen Wunsch erklären.
Auf einmal war die Schönheit weg,
jede Wange war ein roter Fleck.

Ich sagte ihr: "Nur immer Mut,
gemeinsam packen wir das gut!"
Ich nahm beispielgebend mit einem male
mit nur wenig Wasser die Schaumschlagschale,
aus der Seifentube ein Stück Wurm
und schlug mit dem Pinsel Sturm.

Während ich den Schaum gehetzt,
hat sie die Klinge scharf gewetzt.
Dann ließ ich mich zum Verzieren
im Gesicht mit Schaum beschmieren.
Schon wollt sie mir an den Kragen,
da musste ich ihr warnend sagen:

"Beim Rasieren trägt man stets
Handschuhe, wegen dem Aids."
Wieder kam durch mein Gericht
die Schamröte in ihr Gesicht.
Doch ich nickte freundlich dann,
denn ihr Ausschnitt zog mich an.

Nun, als wär es eine Halteblase,
griff sie fest an meine Nase,
zog den Kopf in' s rechte Licht
und begann mit ihrer Pflicht.
Schaben, Wischen, Schaum abstreichen,
Blut war jedoch kein gutes Zeichen.

Unter der Nase war das beste Licht
und ihr Ausschnitt kam sehr dicht.
Am Kinn und auch am Hals
ging es rascher jedenfalls.
Nach dem Abwischen sah man gut,
dass mehrere Stellen voller Blut.

Sie suchte, wobei sie sich beugte
und ich ihr in den Ausschnitt äugte.
Oh ja, ich muss erfreut gestehen,
da gab es viel und weit zu sehen.
Leider hatte sie schon gefunden,
das Alaun für kleine Wunden.

Damit strich sie zart und fein
und dämmte jeden Blutfluss ein.
Keine Kundschaft weit und breit,
deshalb ließen wir uns auch Zeit.
Zum Schluss wurde alles abgetupft,
mein Blick ist im Ausschnitt gehupft.

Sie sah es, sie war nicht aus Holz
und sie holte tief Luft, ganz stolz.
Und schon wurde ich getätschelt,
mit dem Rasierwasser verhätschelt.
Das roch als ginge ich zur Braut,
manche Passantin hat sich umgeschaut.

Erst aber habe ich die Rasur bezahlt,
sie hat beim Trinkgeld dann gestrahlt.
Auf der Straße sah ich noch ihr Mieder
und wusste, hierher komm ich wieder.
Und morgen geht es erneut zur Messe,
ich glaube, dass ich das Rasierzeug vergesse.

02.09.2014 Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Die Rasur

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15.02.2015
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